Das Experiment
ist gelungen: Aufgrund der Corona-Pandemie
konnte das Bistumsjubiläum in Dresden
nicht mit einem Festgottesdienst am
Elbufer gefeiert werden. Stattdessen
wurden die Gemeinden des Bistums per
Video-Konferenz zum Jubiläumsgottesdienst
zusammengeschaltet.
Dresden (mb/tdh). Die Parallele ist
auffallend: Als das damalige Bistum Meißen
1921 rund 400 Jahre nach seinem Untergang
in der Reformationszeit wiedererrichtet
wurde, war gerade die weltweit
grassierende "Spanische Grippe" abgeflaut.
Zum 100-Jahr-Jubiläum des heutigen Bistums
Dresden-Meißen wollten die rund 140.000
Katholiken den runden Geburtstag unter
anderem mit einem großen Gottesdienst und
anschließendem Programm auf dem Dresdner
Elbufer feiern. Doch das Corona-Virus
machte es erforderlich, umzudisponieren.
Und das Bistum machte aus der Not eine
Tugend und demonstrierte damit, welche
Kreativität die Kirche vielerorts in den
letzten Monaten aufgrund der
Corona-bedingten Einschränkungen
entwickelt hat: Unter dem Motto "digital
und dezentral" wurden über ein
Video-Konferenz-Modul rund drei Dutzend
über das ganze Bistum verstreute
Pfarreien, die parallel ihren Gottesdienst
feierten, digital in die Hauptfeier in der
Dresdner Kathedrale am Sonntag, dem 20.
Juni 2021, einbezogen. Bischof Heinrich
Timmerevers: "Mit über 50 Orten sind wir
in dieser Stunde verbunden. Es ist eine
digitale Gemeinschaft und ein feierndes
Netzwerk über unser ganzes Bistum hinweg."
Er betonte, die Kirche werde nur wachsen,
wenn sie zuvor in die Tiefe gegangen sei:
"Kirche braucht Tiefgang und
Tiefenbohrungen."
Zwei Diktaturen: Die äußeren
Gegebenheiten waren selten einfach
Unter
den Festgästen war der Vorsitzende der
Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger
Bischof Georg Bätzing. Er sagte in der
Predigt: "Mit großem Respekt und tiefem
Dank schaue ich auf Ihr Glaubenszeugnis
hier in Sachsen und Ostthüringen und auf
das lebendige Zeugnis Ihrer Vorfahren,
denn die äußeren Gegebenheiten waren
selten einfach." Er verwies unter anderem
auf die Zeiten des Nationalsozialismus und
des Kommunismus: "Zwei Diktaturen, für die
christliches Leben und Glauben ein Dorn im
Auge waren, wurden von den Gläubigen hier
als eine Herausforderung im besten Sinn
angenommen, ihre innere Überzeugung
miteinander zu gestalten und so in aller
äußeren Unfreiheit die Freiheit des
Denkens und Liebens zu verwirklichen."
Auch
die vergangenen 30 Jahre seit der
Friedlichen Revolution und
Wiedervereinigung seien nicht einfach
gewesen, so Bätzing. Denn die große
Hoffnung, "jetzt ein weites Ackerfeld für
die Aussaat des christlichen Glaubens
bestellen zu wollen und dem Wachstum des
kirchlichen Lebens sozusagen zuschauen zu
können", sei bald der Ernüchterung
gewichen. "Auch heute braucht es die
entschiedene Überzeugung jedes und jeder
Einzelnen, um unter den Bedingungen von
Freiheit, Pluralismus und säkularem
Weltverständnis gläubig zu sein."
Mit Bezug auf das vielzitierte Wort
von Kardinal Reinhard Marx vom "toten
Punkt" der Kirche sagte Bätzing:
"Keineswegs hat er die Kirche damit
totsagen wollen, ganz im Gegenteil."
Wichtig seien allerdings nötige
Weichenstellungen für die Zukunft der
Kirche. Das Beispiel der Stadt Dresden
zeige, wie aus "Zerstörung und
schrecklichem Untergang neue Energie und
neue Schönheit erwachsen können".
An
dem vom MDR-Fernsehen live übertragenen
Festgottesdienst nahmen neben entsandten
Vertretern aller Pfarreien auch der
Berliner Erzbischof Heiner Koch, der aus
dem Bistum stammende Bischof Clemens
Pickel aus Saratow (Russland) sowie die
Altbischöfe Joachim Reinelt (Dresden) und
Konrad Zdarsa (Augsburg/Görlitz) teil.
Gegenwärtig gehören dem Bistum rund
140.000 Katholiken an, das sind etwa drei
Prozent der Bevölkerung.
Zahlreiche Vertreter aller Regionen
des Bistums gestalteten den Gottesdienst
mit. Liveschalten zeigten mehr als drei
Dutzend parallele Gottesdienstfeiern von
Gera im Westen bis Ostritz im Osten der
Diözese. Fürbitten waren unter anderem
auch von Pflegekräften im Krankenhaus
sowie von Menschen im Fußballstadion
vorgetragen worden. Verschiedene Elemente
waren mehrsprachig gestaltet, besonderer
Blick lag dabei auf der sorbischen
Sprache. Das Bistum Dresden-Meißen ist
stark durch die in der Oberlausitz
beheimateten katholischen Sorben geprägt.
Auch Frauen in der bekannten sorbischen
Tracht hatten am Gottesdienst mitgewirkt.
Für die musikalische Gestaltung
sorgten unter anderem Sänger der Dresdner
Kapellknaben und Dresdner Blechbläser,
Mädchen und Jungen des Bistumskinderchors,
ein Quartett des sorbischen Gymnasiums
Bautzen, die Band GrooveB sowie Thomas
Lennartz an der Silbermannorgel.
Ein virtueller Bistumschor sang das
Bistumslied
Zum Gesang des Bistumsliedes wurde
zudem ein virtueller Bistumschor
zusammengestellt: Musikbegeisterte waren
eingeladen, sich beim Singen oder
Musizieren des Bistumsliedes zu filmen.
Aus den Einsendungen entstand durch den
Zusammenschnitt der vielen Einzelaufnahmen
ein großer, virtueller Chor, der im
Gottesdienst auf Bildschirmen zu erleben
war.
Im direkten Anschluss an den
Gottesdienst waren als Aktion der Jugend-
und Familienseelsorge etwa 2.000 bunte
Papierschiffe vor der Kathedrale zu sehen.
Gebastelt und zugesandt wurden die Schiffe
von vielen Helfern, die damit ein
zentrales Motiv des Jubiläumsjahres in die
Tat umsetzten.
"100 gute Gründe" lautet das
Jubiläumsmotto zur Wiedererrichtung, das
den Blick zum einen auf die "guten Gründe"
zu glauben richten will und zum anderen
die Frage stellt, wie Christentum im 21.
Jahrhundert glaubwürdig gestaltet werden
kann.