Rückblick
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Alt-Bischof Reinelt erinnert in Deutzen an bayrische Meisterleistung
Katholisches Gotteshaus vor 60 Jahren geweiht / Gut 150 Gläubige erleben festlichen Gottesdienst

Deutzen. "Die Kirche St. Konrad in Deutzen ist seit 60 Jahren ein Zuhause für Christen, die sich gegenseitig als Menschen gleicher Würde anerkennen, die Frieden und Einheit in diese Welt tragen wollen und die die Last dieser Zeit nicht als lästig sehen wollen sondern als Chance zu helfen, wo Not ist." Dies sagte Joachim Reinelt, emeritierter Bischof des katholischen Bistums Dresden-Meißen, am Sonnabendnachmittag (17. Dezember 2016) in Deutzen. Dort zelebrierte er mit Pfarrer Dietrich Oettler von der katholischen Pfarrei St. Joseph Borna und weiteren Geistlichen den Festgottesdienst zur Kirchweihe vor 60 Jahren.

Unter den gut 150 Besuchern, die teils dicht gedrängt auf den Kirchenbänken saßen, waren Christen aus allen Orten der Bornaer Pfarrei, vor allem aber viele heutige und ehemalige Deutzener.

Die Kirche am Rande des Ortes war zwischen Frühjahr 1954 und Dezember 1956 gebaut worden. Eine Bauzeit von über zweieinhalb Jahren, die Pfarrer Oettler als Meisterleistung bezeichnet angesichts der damaligen Mangelwirtschaft und des nötigen Herumschlagens mit DDR-Behörden und auch angesichts der Tatsache, dass Bauholz auf Pferdefuhrwerken und mit der Eisenbahn von Bayern hergebracht worden war.

Schon vor der damaligen Einweihung des Gotteshauses – die Zeremonie dauerte zwei Tage und wurde zuvor fast eine ganze Woche lang vorbereitet – erlebten die Deutzener schon im Sommer 1956 ein Fest. Am 30. Juni 1956 wurden die drei in Apolda gegossenen Glocken feierlich geweiht. Die Glockenweihe leitete schon der damalige Bischof Otto Spülbeck, der ein halbes Jahr später die Weihe der Kirche vornahm.

Joachim Reinelt ist vielen Deutzener Katholiken kein Unbekannter, viele freuten sich am Sonnabend über das Wiedersehen mit ihm. Als aktiver Bischof predigte er vor zehn Jahren beim Fest zur fünfzigjährigen Kirchweihe, das damals noch an drei Tagen gefeiert wurde.

Auch davor war Reinelt schon häufig in Deutzen gewesen, besonders in den 80er-Jahren, als er als Dekan von Altenburg auch für die Bornaer Pfarrei zuständig war. "Hier war viel los", erinnert sich Reinelt, "weil die Kirche größer ist, als die in Borna."

Nach dem Festgottesdienst, zu dem der Gemischte Chor Neukieritzsch unter Leitung von Viktor Vetter unter anderem Stücke aus der Deutschen Messe von Franz Schubert sang, wurde an der Wand neben dem Eingang zur Kirche eine Gedenktafel an das Kirchweihfest enthüllt. Vor den Augen der Festgemeinde zog Josef Benkel das Tuch von der Tafel. Auch er ist ein Nachfahre jener Bayern die Anfang des vorigen Jahrhunderts nach Deutzen gekommen waren.

Dass es davon noch etliche in Deutzen gibt zeigte sich, als der Alt-Bischof nach dem Gebet auf die ihm eigene herzliche und leutselige Art aufrief, die Bayern und die Schlesier mögen doch mal die Hände heben. Aus Schlesien stammt auch er selbst. Das Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft, sagte Reinelt, sei nichts Neues. Nichts, das es erst heute gibt: "Die Vielfalt ist ein Zeichen der Kinder Gottes!"

Wie viele war auch Rudolf Meixelsberger gerührt und angetan von Joachim Reinelts Worten in der Kirche. Anderthalbjährig war er 1938 mit seinen Eltern nach Deutzen gekommen, sein Vater hatte mit an der Kirche gebaut. Sein Sohn Michael der mit seiner Familie im Erzgebirge lebt, gehörte zu den ehemaligen Deutzenern, die dem Kirchweihfest beiwohnten.
Text: André Neumann, Leipziger Volkszeitung (19.12.2016)
Foto: André Neumann

1956: Kirche St. Konrad in Deutzen wird geweiht
Ziegelsteine stammen von der 1943 zerbombten katholischen Propsteikirche St. Trinitatis Leipzig

Deutzen. Eine Tafel erinnert seit dem Wochenende an die Weihe der katholischen Kirche St. Konrad in Deutzen. Vor 60 Jahren wurde sie durch den damaligen Bischof des Bistums Meißens, heute Dresden-Meißen, Otto Spülbeck geweiht. Die schlichte Kirche, die unter Denkmalschutz steht, weist einige Besonderheiten auf.

Das verbaute Holz stammt aus dem bayrischen Wald, obwohl die Bauzeit 1954 bis 1956 in eine spannungsreiche Zeit – nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 – fiel. Ziegelsteine waren ehemalige Bestandteile der 1847 geweihten und 1943 zerbombten katholischen Propsteikirche St. Trinitatis Leipzig. In ihrem eigentlichen Gotteshaus durften sie nicht wieder verbaut werden. Auch für den Bau eines Glockenturms in der Kirche St. Laurentius Leipzig durften sie nicht dienen – das Projekt wurde gestrichen. So nahm das Material in einem geschlossenen Möbelwagen den Weg nach Deutzen. Damit steht in Deutzen die einzige sächsisch-bayrische Kirche Deutschlands. Bayern, überwiegend aus dem bayrischen Wald, waren die Initiatoren und die eigentlichen Bauträger. Sie trugen Steine, Erde, Sorgen und Lasten. Denn der Bergbau hatte Anfang des 20. Jahrhunderts Menschen nach Deutzen gelockt – aus Bayern und Schlesien kommend siedelten sich ganze Familien hier an.

Ein Novum war außerdem die Ausrichtung der Kirche nach Westen. Der Pfarrer hatte damals beim Gottesdienst den Blick nach Westen! Heute, nach der Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils, ist der Blick des Pfarrers nach Osten und zur Gemeinde gerichtet.

Der Innenraum der Kirche enthält als gestalterisches Element lediglich das Werk des Kirchenmalers Georg Nawroth. Kein Kreuz/Kruzifix steht im Mittelpunkt, sondern der Auferstandene. Die Deutzener Kirche ist also genau gesehen eine typische Auferstehungskirche.

Ganz markant ist der Name der Kirche "St. Konrad von Parzham". Der Patron war ein ganz schlichter einfacher Klosterpförtner vom Orden der Kapuziner in Altötting, also dem zentralen Marienwallfahrtsort in Bayern. Erst 1934 war er heilig gesprochen worden. Es war eine bewusste Ehrung des damaligen Papstes für Bruder Konrad, nachdem in Deutschland die Nazis die Macht ergriffen hatten. Ein einfacher Kirchenpatron in einer schlichten Kirche – passt das zum üblichen Image von katholischen Kirchen? Die neue katholische Propsteikirche in Leipzig steht in dieser Tradition.

Auch in Beucha bei Brandis haben Bayern ihre Spuren hinterlassen. Steinbrucharbeiter und Steinmetze aus dem Freistaat haben hier ihre katholische Kirche St. Ludwig gebaut, die am 22. September 1912 geweiht wurde. Wenn in Deutschland etwa 70 Kirchen den Namen "St. Konrad von Parzham" oder "Bruder Konrad" tragen, so sind sie alle nach 1934 entstanden. 1936 wurde die letzte katholische Kirche in der NS-Zeit in Sachsen, in Hainichen, gebaut. Weitere St.-Konrad-Kirchen stehen beispielsweise in Dippoldiswalde, in Hirschfeld bei Zittau, in Ruhla oder auch in Wandlitz!

Die Kirchengeschichte Deutzens verbrieft ein weiteres Novum: Die – wahrscheinlich – erste Kirche im Ort war bis zur Reformation eine katholische, sie brannte 1719 durch Blitzschlag ab. Die zweite – eine evangelische Kirche – wurde 1728 geweiht und am 31. Oktober 1965 entwidmet, um danach wegen des Tagebaues zusammen mit dem Ort Deutzen abgerissen zu werden. Die dritte – wiederum eine katholische – Kirche, steht heute noch. Das vierte, evangelische Kirchengebäude, das Gustav-Adolf-Haus, ist als gedachtes Provisorium heute der Gemeinschaftsraum der evangelischen Christen. Die fünfte, beinahe hier erbaute, evangelische Kirche, die Zionskirche, eine Holzkirche – als Geschenk aus Schweden – steht heute in Dresden in der Nähe der alten Zionskirche (Ruine). Sie hätte in Deutzen aufgebaut werden können, wenn der Gemeinderat zugestimmt hätte. Wegen der Absage der Deutzener wurde sie elf weiteren Orten angeboten – mit gleichem Resultat – und dann in Dresden errichtet. Eine sechste Kirche hat nur stundenweise das Territorium Deutzens gestreift. Es war die Heuersdorfer Emmauskirche, die auf ihrem Weg nach Borna den Bahnübergang überquerte. Dass eine Deutzener Glocke, die Vater-unser-Glocke, in der Stadtkirche Borna zu hören ist, ist mindestens erwähnens- und durchaus hörenswert.
Text: Erwin Rümenapp, Leipziger Volkszeitung (19.12.2016)
Foto:


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Fotos: Philipp Ramm
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