Papst tritt zurück:
"Nicht mehr genug Kraft für das Amt"
Völlig überraschend: Benedikt XVI. gibt
zum 28. Februar sein Amt auf / Historisch:
Erster Rücktritt eines Papstes seit 700
Jahren / Weltweit Respekt und Anerkennung
- Nachfolge bis Ostern klar
Rom
(maj/dpa). Paukenschlag im Vatikan: Papst
Benedikt XVI. gibt völlig überraschend
sein Amt zum 28. Februar auf. Seine Kraft
reiche nicht mehr aus, erklärte der
85-jährige gestern (Montag, 11. Februar
2013) vor den Kardinälen in Rom. Der
Vatikan rechnet mit der Wahl eines
Nachfolgers bis zu Ostern Ende März.
Zuletzt war ein Papst vor mehr als 700
Jahren zurückgetreten.
Die Ankündigung wurde weltweit mit
Anerkennung und Verständnis aufgenommen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zollte
Benedikt für seine Entscheidung
"allerhöchsten Respekt". Die
Regierungschefin dankte dem Oberhaupt der
katholischen Kirche für sein Wirken.
Unvergessen
bleibe für sie die Rede des aus
Deutschland stammenden Papstes im
Bundestag bei seinem Deutschlandbesuch im
Jahr 2011. "Die Worte des Papstes
werden mich noch lange begleiten", sagte
Merkel in Berlin. Auch Bundespräsident
Joachim Gauck drückte Achtung für den
Rücktritt aus. Für solch einen "historisch
höchst seltenen Beschluss sind großer Mut
und Selbstreflektion nötig", sagte das
Staatsoberhaupt in Berlin: "Beides findet
meinen außerordentlichen Respekt."
Tillich bedauert Rücktritt
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw
Tillich bedauert den Schritt. "Papst
Benedikt wird in Sachsen in dauerhafter
Erinnerung bleiben. Während seiner
beeindruckenden Reise durch Deutschland
konnten auch viele sächsische Christen den
Heiligen Vater erleben", sagte Tillich.
Mit Alois Andritzki habe Benedikt zudem
einen sorbischen Kaplan selig gesprochen,
der für seinen Glauben von den
Nationalsozialisten ermordet wurde.
Respekt für den Rücktritt äußerte auch
der Wittenberger Theologe Friedrich
Schorlemmer. Zugleich kritisierte er die
verpassten Chancen beim Deutschlandbesuch
des Papstes 2011: Benedikt XVI. werde als
Papst der "Stillstands-Ökumene" in die
Geschichte eingehen.
Biograf: Druck aus eigenen Reihen
Der Papst-Biograf Andreas Englisch
sieht indes auch Druck aus den eigenen
Reihen, die Benedikt zum Rücktritt
bewegten. "Viele werden schon gesagt
haben: Das läuft alles nicht so rund wie
es laufen sollte. Das ist ein netter,
alter Herr, aber kein charismatischer
Mann", sagte Englisch.
Papst-Bruder Georg Ratzinger war seit
Monaten in die Rückzugspläne eingeweiht.
So habe der Arzt dem Papst von
transatlantischen Flügen abgeraten. Er
persönlich halte die Entscheidung für
richtig. Es sei "positiv, dass er seine
Aufgabe in jüngere Hände gibt", so der
frühere Regensburger Domkapellmeister
Georg Ratzinger.
Umzug ins Kloster
Nach seinem Rücktritt als Papst wird
Benedikt XVI. in ein frisch renoviertes
Domizil in einem Kloster umziehen. Wenn
das Oberhaupt der Katholiken sein Amt
niedergelegt hat, werde es zunächst
vorübergehend in der päpstlichen
Sommerresidenz Castel Gandolfo südöstlich
von Rom wohnen, erklärte Vatikansprecher
Federico Lombardi laut Radio Vatikan.
Sobald die Renovierungsarbeiten am
Nonnenkloster innerhalb des Vatikans
abgeschlossen seien, werde sich Benedikt
XVI. dorthin zum Beten und Innehalten
zurückziehen, hieß es weiter. Am Konklave
für seinen Nachfolger werde der jetzige
Papst nicht teilnehmen.
Als Favorit für seine Nachfolge gilt
bei den Buchmachern der nigerianische
Kardinal Francis Arinze, vor dem Ghanaer
Peter Turkson und dem Kanadier Marc
Ouellet. Es zeichnet sich ein enges Rennen
ab.
Hintergrund:
Zweiter Rücktritt in 2.000 Jahren
Ein Papst wird auf Lebenszeit
gewählt, doch ist nach dem
Kirchenrecht auch ein Rücktritt
möglich. Hierfür muss das
Kirchenoberhaupt keine Gründe
nennen, auch muss niemand den
Rücktritt annehmen. Der Rückzug muss
aber freiwillig erfolgen.
In 2.000 Jahren
Kirchengeschichte wurde jedoch
bisher nur ein einziger weiterer
Rückzug aus freien Stücken bekannt.
Papst Coelestin V. gab 1294 nach nur
fünf Monaten freiwillig sein Amt
auf. Historiker sprechen von einem
überforderten Sonderling, der kaum
Latein konnte. Die Kardinäle hätten
ihn nur zum Papst gewählt, weil sie
sich nicht auf einen anderen
Kandidaten einigen konnten.
Coelestin zog sich nach seinem
Rücktritt in ein Kloster zurück.
Andere Historiker behaupten, sein
Nachfolger Bonifaz VIII. habe
Coelestin zum Abdanken gedrängt und
in "Klosterhaft" geschickt.
Bereits im ersten und im dritten
Jahrhundert wurden Päpste von
römischen Kaisern aus dem Amt ins
Exil gejagt. Auch Papst Benedikt IX.
musste mehrfach Rom fluchtartig
verlassen, bevor er 1045 den
Heiligen Stuhl unter Druck räumte
und die Amtswürden verkaufte. Der
Rücktritt von Papst Gregor XII. im
Jahr 1415 war ebenfalls nicht
freiwillig. Bereits 1409 erklärte
ihn ein Konzil für abgesetzt. Gregor
weigerte sich aber jahrelang, das
Feld zu räumen, ebenso wie der
Gegenpapst Benedikt XIII. Da
trotzdem Alexander V. zum neuen
Papst gewählt wurde, gab es
zeitweise drei Kirchenoberhäupter.
Ein Bewahrer, kein
Reformer
Knapp acht Jahre regierte der Deutsche die
katholische Kirche / Eine Bilanz seiner
Amtszeit
Berlin/Rom.
Fast acht Jahre dauerte das Pontifikat von
Benedikt XVI. Nun zieht er selbst einen
Schlussstrich. Radikale Umwälzungen waren
nicht sein Ziel. Dennoch wird der deutsche
Papst in Erinnerung bleiben.
Im inneren Fries der Kuppel von St.
Peter in Rom steht in zwei Meter hohen
Buchstaben ein Zitat aus dem
Matthäus-Evangelium: "Tu es Petrus et
super hanc petram aedificabo ecclesiam
meam. - Du bist Petrus und auf diesem
Felsen will ich meine Kirche bauen." -
Millionen Besucher der größten Kirche der
Christenheit haben schon unter dieser
Inschrift gestanden, aber niemand kann nur
annähernd nachfühlen, mit welcher Wucht
dieser Satz einen Menschen treffen kann.
Die Verantwortung für eine
weltumspannende, nichts anderes bedeutet
"katholisch", Kirche zu tragen, verlangt
eine schier übermenschliche Anstrengung.
Papst Benedikt XVI. ist die Last zu groß
geworden.
Obwohl jetzt keine schwere Krankheit
ausschlaggebend für seine Entscheidung war
und Joseph Ratzinger ein ungebrochen
agiler Denker ist - der sich so schnell
verändernden Welt fühlte er sich wohl
nicht mehr gewachsen. Er nennt dies sein
"Unvermögen", seine Kirche weiter gut
durch die schwierigen Zeiten zu steuern.
Die überraschende Kunde aus Rom hat
weltweit großes Erstaunen ausgelöst, nicht
nur unter den Gläubigen, aber dort
natürlich in besonderer Weise: Von Gott
berufen, vom Heiligen Geist bestimmt -
kann ein einfacher Mensch sich gegen diese
Berufung wehren? Kann er das Amt, das von
Gott selbst kommt, zurückgeben? Kann er
sich selbst lossagen davon, "der Fels" zu
sein, auf den die Kirche Jesu Christi
gebaut ist?
Im Grunde wird hierin schon der starke
Spannungsbogen von Benedikts Pontifikat
offenbar. Ein brillanter Theologe, ein
begnadeter Formulierer in einer Vielzahl
von Büchern und Schriften sollte fortan
Papst sein - doch der Machtanspruch, der
diesem Amt auch innewohnt, vor allem die
Durchsetzung dieses Machtanspruches,
scheinen Ratzinger wesensfremd. Ein Kenner
hat ihn einmal "eine reine Seele" genannt,
was vielleicht eine sehr freundliche
Umschreibung ist für einen klugen alten
Mann, dem die Wirklichkeit entglitten ist.
Doch das trifft es nicht ganz: Der
Missbrauchsskandal hat den Papst
mitgenommen, zumindest hat er feinfühliger
und verantwortungsbewusster reagiert als
einige seiner deutschen Mitbrüder im
Bischofsamt. Die Piusbrüder, die
Finanzskandale der Vatikanbank, die
Vatileaks-Krise: Es ist ja nicht so, dass
Benedikt das nicht mitbekommen hätte. Wer
vom Vatikan aus die Weltkirche der weit
über eine Milliarde Katholiken leiten
wolle, brauche "die Kraft des Körpers als
auch die Kraft des Geistes". Über einen
vorzeitigen Abgang hatte der mittlerweile
knapp 86-jährige zwar schon vorher
philosophiert. Ein Datum dafür hatte er
aber nicht genannt.
Sein Vorgänger, der überaus
charismatische Johannes Paul II.,
verströmte bei aller Liebenswürdigkeit
auch eine beträchtliche Bestimmtheit und
Entscheidungsstärke bei der Führung der
Kirche. An Ausstrahlung mangelt es auch
Benedikt nicht - die vielfältigen Krisen
der Kirche müssen ihn mehr gelähmt haben,
als dass sie ihn inspiriert hätten, sich
an dringend notwendige Reformen zu machen.
Es ist müßig darüber nachzudenken, ob und
wie sehr die Macht der Kurie hinter dem
Rücken des Papstes gewirkt hat. Das tut
die Kurie immer, die Frage ist, wie ein
Papst die machtbewusste Männergesellschaft
in Schach hält. Benedikts Begründung für
den Rücktritt, er habe nicht mehr genug
Kraft für sein Amt, beinhaltet ja bereits
einen Auftrag an das Kardinalskollegium:
Erwählt einen aus eurer Mitte, der über
mehr Kraft, mehr Energie verfügt als ich,
die jahrtausendealte Kirche zu tragen.
Respekt für Entscheidung
Als vor knapp acht Jahren das "Habemus
Papam" für Ratzinger gesprochen wurde,
titelte ein deutsches Boulevardblatt
stolz: "Wir sind Papst". So schön diese
Zeile klingt, gestimmt hat sie nie. Weder
in Deutschland noch sonst in der Welt sind
die Verhältnisse so, dass sich die
Mehrheitsgesellschaft mit dem Oberhaupt
der katholischen Kirche verbinden lässt.
Als moralische Instanz hat die Kirche
ausgedient. Eine Rückbesinnung der Kirche
auf sich selbst, wie es dem Papst
vorschwebte, ist gewiss keine Lösung.
Unter Johannes XXIII., dem Konzilspapst,
war man da schon mal weiter.
Der Entschluss von Benedikt XVI., das
große Amt nun aufzugeben, verdient
höchsten Respekt. Er mag das Beispiel
seines direkten Vorgängers vor Augen
gehabt haben, dessen öffentliches Leiden
und öffentliches Sterben. Die Stärke zu
haben, die Schwäche des Menschen offen zu
zeigen, ist nicht jedem gegeben. Das
Beispiel, das Benedikt nun gibt, steht
dafür, dass der Mensch seine Schwäche -
auch die vor Gott - eingestehen kann. Die
Barmherzigkeit Gottes ist so groß - sie
lässt auch das zu. Und das ist doch
zuletzt eine frohe Botschaft.
Dokumentation:
Die Rücktrittserklärung im Wortlaut
Papst Benedikt XVI. hat gestern
(Montag, 11. Februar 2013) in Rom
bei einer Vollversammlung der
Kardinäle mit folgenden Worten den
eigenen Rücktritt angekündigt:
"Liebe Mitbrüder! Ich habe euch
zu diesem Konsistorium nicht nur
wegen drei Heiligsprechungen
zusammengerufen, sondern auch, um
euch eine Entscheidung von großer
Wichtigkeit für das Leben der Kirche
mitzuteilen. Nachdem ich wiederholt
mein Gewissen vor Gott geprüft habe,
bin ich zur Gewissheit gelangt, dass
meine Kräfte infolge des
vorgerückten Alters nicht mehr
geeignet sind, um in angemessener
Weise den Petrusdienst auszuüben.
Ich bin mir sehr bewusst, dass
dieser Dienst wegen seines
geistlichen Wesens nicht nur durch
Taten und Worte ausgeübt werden
darf, sondern nicht weniger durch
Leiden und durch Gebet. Aber die
Welt, die sich so schnell verändert,
wird heute durch Fragen, die für das
Leben des Glaubens von großer
Bedeutung sind, hin- und
hergeworfen. Um trotzdem das
Schifflein Petri zu steuern und das
Evangelium zu verkünden, ist sowohl
die Kraft des Köpers als auch die
Kraft des Geistes notwendig, eine
Kraft, die in den vergangenen
Monaten in mir derart abgenommen
hat, dass ich mein Unvermögen
erkennen muss, den mir anvertrauten
Dienst weiter gut auszuführen.
Im Bewusstsein des Ernstes
dieses Aktes erkläre ich daher mit
voller Freiheit, auf das Amt des
Bischofs von Rom, des Nachfolgers
Petri, das mir durch die Hand der
Kardinäle am 19. April 2005
anvertraut wurde, zu verzichten, so
dass ab dem 28. Februar 2013, um
20:00 Uhr, der Bischofssitz von Rom,
der Stuhl des Heiligen Petrus,
vakant sein wird und von denen, in
deren Zuständigkeit es fällt, das
Konklave zur Wahl des neuen Papstes
zusammengerufen werden muss.
Liebe Mitbrüder, ich danke euch
von ganzem Herzen für alle Liebe und
Arbeit, womit ihr mit mir die Last
meines Amtes getragen habt, und ich
bitte euch um Verzeihung für alle
meine Fehler. Nun wollen wir die
Heilige Kirche der Sorge des
höchsten Hirten, unserem Herrn Jesus
Christus, anempfehlen. Und bitten
wir seine heilige Mutter Maria,
damit sie den Kardinälen bei der
Wahl des neuen Papstes mit ihrer
mütterlichen Güte beistehe. Was mich
selbst betrifft, so möchte ich auch
in Zukunft der Heiligen Kirche
Gottes mit ganzem Herzen durch ein
Leben im Gebet dienen."
Hintergrund:
Joseph Ratzinger zieht in ein
Kloster im Vatikan
Nach dem Rücktritt wird Benedikt
XVI. in ein renoviertes Domizil in
einem Klausurkloster auf dem Gelände
des Vatikans leben. Wenn das
Oberhaupt der Katholiken sein Amt
niedergelegt hat, werde es
vorübergehend in der päpstlichen
Sommerresidenz Castel Gandolfo
südöstlich von Rom wohnen, erklärte
Vatikansprecher Federico Lombardi
gestern laut Radio Vatikan. Sobald
die Renovierungsarbeiten am
Nonnenkloster innerhalb der
Vatikangrenzen - der Kirchenstaat
ist 0,44 Quadratkilometer groß und
hat etwa 930 Einwohner -
abgeschlossen seien, werde sich
Benedikt XVI. dorthin zum Beten und
Innehalten zurückziehen, hieß es
weiter. Am Konklave für seinen
Nachfolger werde der jetzige Papst
nicht teilnehmen.
Ein Papst bezieht kein Gehalt.
Alles, was er zum Leben benötigt und
was für seine Amtsausübung notwendig
ist, wird ihm gestellt. Eine Rente
für Päpste ist laut dem Erfurter
Kirchenhistoriker Josef Pilvousek
nicht vorgesehen. Nur die
Ruhestandsgehälter eines Kardinals
und die Rentenzahlungen von der
Heimatdiözese könnten in Anspruch
genommen werden. Bei Joseph
Ratzinger kämen noch Ansprüche aus
seiner Tätigkeit als Hochschullehrer
hinzu - als Dogmatik-Professor
lehrte er in Freising, München,
Bonn, Münster, Tübingen und
Regensburg.
Menschlich
nachvollziehbar
Überraschung und Respekt für den
angekündigten Papst-Rücktritt
Borna. Weltweit hat der Rücktritt von
Papst Benedikt XVI. für Überraschung und
Anerkennung gesorgt. Nach mehr als 700
Jahren ist der Heilige Vater das erste
katholische Kirchenoberhaupt, das
freiwillig sein Amt niederlegt. Auch in
und um Borna bewegt die Entwicklung in Rom
die Menschen.
Jessica Lehmann ist überrascht über
den plötzlichen Rücktritt. Die 17-jährige
ist selbst katholisch, fühlt sich aber
persönlich nicht betroffen. Wenn zu Ostern
ein neuer Papst gewählt wird, will sie das
nicht unbedingt verfolgen: "Das erfährt
man so oder so."
Wolfgang Gerlach sieht den Rücktritt
zwiespältig: Einerseits kann er nicht
verstehen, dass der deutsche Papst als
Erster nach über 700 Jahren freiwillig auf
sein Amt verzichtet. "Andererseits kann
man in dem Alter und bei schlechter
Gesundheit nicht mehr als Kirchenoberhaupt
die katholische Welt leiten", sagt der
70-jährige. Persönlich hat er allerdings
keinen Bezug zur Kirche, weil er nicht
religiös ist.
"Es war eine mutige Entscheidung, sich
nicht am Stuhl festzuhalten", sagt Sigmar
Miltschuss aus Flößberg. Den Rücktritt und
auch die Neuwahl verfolgt er mit
Interesse, obwohl er ebenfalls nicht
kirchlich ist. Der 65-jährige vermutet
jedoch, die Abdankung könnte aus anderen
Gründen geschehen als den offiziell
genannten. "Vielleicht spielen da Intrigen
mit rein", sagt er.
Monika Gebel ist auf die Wahl des
neuen Papstes gespannt. Die 57-jährige aus
Borna gehört selbst nicht der Kirche an,
versteht den Rücktritt aus
gesundheitlichen Gründen aber: "Es war
sicher die richtige Entscheidung von ihm,
jetzt zu gehen."
Pfarrer Thomas Schorcht aus Zwenkau,
auch für Pegau zuständig, dachte zunächst
an einen Faschingsscherz, als er die
Nachricht vom Rücktritt des Papstes im
Radio vernahm. "Aber es war ernst",
stellte er schnell fest und machte sich
seine Gedanken: "Unsere Kirche wird sicher
nicht gleich untergehen, bei drei
Milliarden Mitgliedern weltweit, aber es
ist ein herber Schlag. Ich habe großes
Verständnis für diese Entscheidung,
wenngleich ich doch sehr traurig darüber
bin. Papst Benedikt XVI. war und ist ein
großer Gelehrter und ein sehr geistvoller
Mensch. Ich hoffe, dass er nach seinem
Rücktritt die nötige Ruhe findet und
weiterhin kluge Bücher schreibt. Ich liebe
seine Bücher sehr."
Thomas Schorcht, 69, war zur Wendezeit
Pfarrer in Borna. Noch heute sind ihm zwei
Begegnungen mit Joseph Ratzinger im
Gedächtnis. Als Bischofssekretär in seiner
Heimatstadt Dresden traf Schorcht vor
nunmehr vier Jahrzehnten den damaligen
Theologieprofessor Ratzinger persönlich,
und im Jahr 2006 wohnte er mit Tausenden
Gläubigen dem Papstbesuch in der
bayrischen Wallfahrtsstadt Altötting bei.
"Er hat dort eine sehr mutmachende und
ergreifende Rede gehalten", erinnert sich
der Pfarrer.
Den Schritt Benedikts XVI., sein
Pontifikat aus gesundheitlichen Gründen
Ende Februar abzugeben, nennt Schorcht
"mutig". Und weiter: "Da müssen wir jetzt
durch. In vielen Dingen hatte man das
Gefühl, dass der Wind unserer Kirche sehr
stark ins Gesicht bläst. Und Papst
Benedikt hat sicher auch einige Fehler
gemacht. Aber man muss auf der anderen
Seite auch das Alter achten und ehren und
natürlich die menschliche Uhr beachten.
Ich habe große Hochachtung vor Papst
Benedikt und denke, dass er als Theologe
sicher weiter ein Leitungsamt in Rom
übernimmt."
Für den neuen katholischen Bornaer
Pfarrer Dietrich Oettler, seit wenigen
Monaten im Amt, ist der angekündigte
Rückzug von Benedikt XVI. "weise,
vernünftig und menschlich
nachvollziehbar". Joseph Ratzinger sei 85
Jahre und habe bemerkt, dass seine Kräfte
nachlassen. Das katholische Kirchenrecht
lasse eine Entscheidung, wie sie der Papst
vorgestern getroffen hat, zu. Der
scheidende Pontifex maximus habe in seiner
Amtszeit viel bewegt, ist Oettler
überzeugt. In einer Zeit, in der es
heftige Debatten über Themen wie Rassismus
und Sexismus gebe, habe der Papst auf
objektive Werte verwiesen. Der 38-jährige
weiter: "Der Papst hat Unangenehmes gesagt
und uns allen damit einen Dienst
erwiesen." Dazu gehöre auch die sogenannte
Regensburger Rede im Jahr 2006, in der er
sich mit den Unterschieden zwischen dem
christlichen Abendland und dem Morgenland
auseinandergesetzt habe, was zweifellos
Konfliktstoff berge, so Oettler.
Superintendent Matthias Weismann nennt
es "beeindruckend und normal", dass der
Papst "als Mensch seinen Ruhestand
antritt". Das mache deutlich, dass sich
Benedikt als Menschen sehe, der "sterblich
und ersetzbar" sei. Dem scheidenden
Oberhaupt der katholischen Kirche sei
allerdings in seiner achtjährigen Amtszeit
kein ökumenischer Durchbruch gelungen.
Vielmehr gebe es einen "ökumenischen
Stillstand", so Weismann weiter. Da seien
die Verantwortlichen der beiden
Konfessionen vor Ort oftmals schon viel
weiter. Allerdings lasse sich der Papst
auch nicht als "Anti-Ökumeniker"
bezeichnen.
Der Papst, der
überraschte
Der Rücktritt war nicht das einzig
Unerwartete im Pontifikat Benedikt XVI.
Rom.
Als Joseph Ratzinger vor fast acht Jahren
zum Papst gewählt wurde, meinten viele
Beobachter: Von diesem Papst kann man
Überraschungen erwarten. Die größte
Überraschung bescherte er der Welt mit
seiner unerwarteten Rücktrittsankündigung.
Benedikt XVI. fügt damit dem Papstamt
eine neue, zeitgemäße Facette hinzu. Dass
er einen solchen Rücktritt für möglich
hielt, hatte er schon mehrfach
ausgesprochen. Dennoch: "Wie ein Blitz"
habe die Ankündigung die Kardinäle
getroffen, sagte der Dekan des
Kardinalskollegiums, Angelo Sodano. Nichts
deutete auf den Zeitpunkt hin. Keine
Gerüchte, Andeutungen oder bekannte
Erkrankungen.
Schon unmittelbar nach seiner Wahl
hatte der Papst viele Menschen überrascht:
Er wirkte so freundlich, zurückhaltend, ja
beinahe schüchtern - ein völliger
Gegensatz zum Image des "Panzerkardinals",
des knallharten Glaubenswächters. Diese
Rolle konnte er mit dem Wechsel von der
Glaubenskongregation in den apostolischen
Palast auf der anderen Seite des
Petersdoms abstreifen: Von der
"Zärtlichkeit Christi" und dessen
"leidenschaftlicher Liebe" sprach Kardinal
Ratzinger in seiner Predigt vor dem
Konklave, an dessen Ende er neuer Papst
war. "Gott ist die Liebe" - der Titel
seiner ersten Enzyklika ist die Botschaft,
die er verbreiten wollte. Dabei konnte
Benedikt XVI. den ehemaligen Professor nie
verbergen. Einen "großen Lehrer des
Glaubens" nennt ihn Kardinal Karl Lehmann.
Viele seiner Ansprachen und Vorträge
wurden zu Vorlesungen - mit
intellektueller Tiefe und geschliffenen
Worten. Seine Generalaudienzen nutzte er
für Kurzvorlesungen etwa über die
Kirchenväter oder berühmte Heilige.
Der Gottvergessenheit entgegentreten
Benedikt XVI. ging es vor allem darum,
der Gottvergessenheit der modernen Welt
entgegenzutreten, ihr die Schönheit des
Glaubens zu vermitteln. Dafür gründete er
einen päpstlichen Rat zur
Neuevangelisierung und rief ein "Jahr des
Glaubens" aus. Das Ende dieses Jahres wird
er als Papst im Ruhestand erleben.
Das Priesterjahr 2009/2010 ging
dagegen völlig unter in den Schlagzeilen
und Enthüllungen im kirchlichen
Missbrauchsskandal. Doch anders, als oft
behauptet, blieb Benedikt XVI. nicht
untätig im Kampf gegen den Missbrauch: Er
verschärfte die kirchlichen Regeln und
rief die Bischöfe zum Durchgreifen auf.
Auf seinen Auslandsreisen traf er sich
mehrfach mit Missbrauchsopfern, setzte
sich dem Leid und den Vorwürfen aus.
Zu den Überraschungen seines
Pontifikates gehören aber auch
hausgemachte Pannen: Nach seinem ersten
Deutschlandbesuch gerieten Muslime wegen
der Regensburger Rede in Rage, sahen den
Islam verunglimpft. Bei einer danach
folgenden Reise in die Türkei gelang es
Benedikt, die Gräben wieder zuzuschütten.
Hausgemachte Pannen
Die eigentlich als versöhnende Geste
gemeinte Rücknahme der Exkommunikation der
Bischöfe der Piusbruderschaft geriet zum
Desaster weil unter den vier
Traditionalistenbischöfen ein
Holocaust-Leugner war. Benedikt sah sich
mit Vorwürfen konfrontiert, die Kirche
verabschiede sich von der Aussöhnung mit
dem Judentum. Mit viel Diplomatie und
einer Reise ins Heilige Land gelang es ihm
auch diesmal, die Kritik zu beruhigen.
Kritiker werfen ihm dennoch vor, in seinem
Bemühen um Einheit dem rechten Flügel der
Kirche zu viel Geduld entgegengebracht zu
haben.
In jüngster Vergangenheit dürfte vor
allem die Vatileaks-Affäre den 85-jährigen
erschüttert haben. Mit seiner
Rücktrittsankündigung befreit sich
Benedikt XVI. von der Bürde eines Amtes,
das "alles menschliche Vermögen
überschreitet", wie er selbst einmal
sagte. Gleichzeitig beginnen die
Spekulationen über einen Nachfolger.
Britische Wettbüros sind sich sicher: Der
nächste Papst kommt aus Afrika. Alles
reine Mutmaßungen - Sicherheit gibt es
erst, wenn weißer Rauch aufsteigt.
Text: Ulrich Waschki, Tag des Herrn (17.02.2013) Foto: pa/Stefano Spazi
Dieser Papst bleibt
in Erinnerung
Papst gibt sein Amt auf: Stellungnahmen
aus der Region
Dresden/Erfurt/Görlitz/Magdeburg.
Vertreter der ostdeutschen Bistümer und
Bundesländer haben anlässlich seiner am
Montag (11. Februar 2013) bekanntgegebenen
Rücktrittsabsicht das Wirken von Papst
Benedikt XVI. gewürdigt.
Der Erfurter Diözesanadministrator
Reinhard Hauke, der von Papst Benedikt
XVI. zum Weihbischof ernannt wurde,
erinnert in einer Stellungnahme zum
Rücktritt des Papstes an seine letzte
persönliche Begegnung mit dem
Kirchenoberhaupt während des
Deutschlandbesuches im September 2011: "Es
war beeindruckend zu erleben, wie sich der
Heilige Vater auf die Menschen in den
verschiedensten Situationen mit
Aufmerksamkeit, Gelassenheit und Liebe
eingelassen hat." Wer Benedikt XVI.
persönlich erleben durfte, wisse um die
Scheu dieses Papstes, seine Person in den
Mittelpunkt zu stellen. Dieser Haltung
entspreche auch seine jetzige
Entscheidung: "Es geht ihm nicht um sich
selbst. Der Papst möchte vielmehr einen
Nachfolger auf dem Stuhl Petri wissen, der
den Herausforderungen, vor denen die
Kirche in Gegenwart und naher Zukunft
steht, besser gewachsen ist, als er selbst
zu sein glaubt."
Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige
spricht in seiner Erklärung Papst Benedikt
seinen Dank dafür aus, "dass er die
Leitung unserer Kirche noch in einem Alter
übernommen hat, in dem andere schon lange
ihren Ruhestand genießen". Als
feinsinniger und hochintelligenter
Theologe habe er sich mit aller Kraft für
die Verkündigung des Evangeliums und den
Dienst an der Einheit der Kirche
eingesetzt. In der Erklärung heißt es
weiter, "manche Anregungen und
Entscheidungen haben freilich auch zu
gewissen Verunsicherungen geführt".
Unvergessen werde aber der unermüdliche
Einsatz des Papstes für die Achtung der
Menschenrechte, seine Dialogbereitschaft
gegenüber anderen Kirchen, Religionen und
Weltanschauungen sowie seine konstruktive
Auseinandersetzung mit der säkularen Welt
bleiben. "Er war kein Machtpolitiker,
sondern ein geistlicher Mensch."
"Dieser Papst hat uns eindringlich an
Gott erinnert", hebt der Görlitzer Bischof
Wolfgang Ipolt hervor. "Sein Wort 'Wer
glaubt, ist nie allein' berührt mich immer
wieder. Es ist wie ein persönliches
Bekenntnis seiner persönlichen
Gottbeziehung." Damit habe der Papst "den
Finger auf die Wunde unserer Zeit gelegt:
In einer gottvergessenen Welt wollte er an
diesen Gott erinnern." Zum Vermächtnis des
Papst gehöre auch, dass er mit großer
Liebe und Erfurcht Liturgie gefeiert hat.
"Er wusste sich hier besonders vor dem
Geheimnis Gottes und hat das der ganzen
Kirche vorgelebt."
Für das Bistum Dresden-Meißen erklärte
Christoph Pötzsch, der Leiter des
Katholischen Büros Sachsen: "Wir nehmen
die Entscheidung des Papstes, von seinem
Amt zurückzutreten, mit Bedauern und
Hochachtung zur Kenntnis. Das Bistum hat
großen Respekt vor einer solchen nicht
alltäglichen Entscheidung."
Zahlreiche Würdigungen kamen auch von
den Vertretern der ostdeutschen
Landespolitik. Thüringens
Landtagspräsidentin Birgit Diezel (CDU)
erinnerte an den Papstbesuch 2011 in
Thüringen: Bei diesem Besuch habe der
Papst "hunderttausende Menschen begeistert
und ein lebendiges Bild von Kirche
vermittelt". Sachsen-Anhalts
Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU)
würdigte Benedikt XVI. als
"weltgeschichtlich bedeutende
Persönlichkeit". Zusammen mit seinem
Amtsvorgänger Johannes Paul II. habe er
"zu den gesellschaftlichen Umbrüchen
beigetragen, die dem östlichen Europa die
Freiheit und den Deutschen auch die
Wiedervereinigung gebracht haben".
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw
Tillich (CDU) betonte, Papst Benedikt
werde in Sachsen in dauerhafter Erinnerung
bleiben. Während seiner beeindruckenden
Reise im September 2011 durch Deutschland
hätten auch viele sächsische Christen den
Papst erleben können. Mit Alois Andritzki
habe er einen sorbischen Kaplan selig
gesprochen, der für seinen Glauben von den
Nationalsozialisten ermordet worden sei.
Text: Tag des Herrn (17.02.2013) Foto: Picture Alliance
Papst-Wahl offenbar
schon Anfang März
Rom (dapd). Das Konklave zur Wahl des
Nachfolgers von Papst Benedikt XVI. kann
früher starten als bisher erwartet. Der
scheidende Pontifex erließ wenige Tage vor
seinem Rücktritt am Donnerstag ein
Schreiben, das die Regeln der Wahl ändert.
Mit dem sogenannten Motu Proprio werde es
dem Kardinalskollegium ermöglicht, den
Beginn vorzuziehen, sagte der
Vize-Camerlengo des Papstes, Monsignore
Luigi Celata. Ein genaues Datum gebe es
noch nicht, sagte Sprecher Federico
Lombardi. Wahrscheinlich entscheidet das
Kardinalskollegium in den ersten
März-Tagen. Allerdings ohne Keith O'Brien
- der Brite trat wegen "unangemessenem
Verhaltens" gegenüber jungen Priestern
zurück.
Leipziger Volkszeitung (26.02.2013) Foto:
Papst trägt Titel
emeritierter Pontifex
Benedikt XVI.
Rom.
(dpa). Benedikt XVI. nennt sich nach
seinem morgigem Rücktritt "Emeritierter
Papst" oder "Römischer emeritierter
Pontifex". Das sagte Vatikan-Sprecher
Federico Lombardi gestern (Dienstag, 26.
Februar 2013) in Rom. Man werde sich an
Joseph Ratzinger aber weiterhin auch mit
der Anrede "Eure Heiligkeit" wenden
können, fügte Lombardi hinzu. Es sei
Benedikts Entscheidung gewesen: "Er hat
gesagt, so möchte ich mich nennen", fügte
Lombardi hinzu.
Wie der scheidende Papst künftig
angesprochen werden soll, war in Rom immer
wieder gefragt worden. "Emeritierter
Bischof von Rom" hatte es zuvor auch
geheißen. Lombardi sagte außerdem, der
85-jährige Ratzinger werde nach dem 28.
Februar den einfachen weißen Talar
anziehen.
Der letzte öffentliche Akt des Papstes
morgen wird um 17:30 Uhr ein Abschiedsgruß
an die Gläubigen der Diözese Albano von
der Loggia der Residenz Castel Gandolfo
aus sein. Mit dem offiziellen Ende des
Pontifikats um 20:00 Uhr stellt auch die
Schweizer Garde ihren Dienst für den Papst
vor den Toren der Residenz südlich von Rom
ein. Die Sicherheit Benedikts ist aber
garantiert, die Gendarmerie wird ihren
Wachdienst fortsetzen. Die
Kardinalsversammlung wird nicht vor
nächste Woche zusammenkommen, um die
Papst-Wahl im März vorzubereiten.
Benedikts letzter
Arbeitstag
Abschied mit Handschlag von den
Kardinälen, ein Mittagessen mit seinem
Sekretär und dann der Flug nach Castel
Gandolfo: Der erste deutsche Papst seit
fast 500 Jahren geht in Rente / Das
Protokoll des letzten Arbeitstages von
Benedikt XVI.
Rom.
Kurz nach 6:00 Uhr: Nach seiner
letzten Nacht als Papst im apostolischen
Palast klingelt für Benedikt wie gewohnt
der Wecker.
7:00 Uhr: Gemeinsam mit seinen
beiden Privatsekretären und den vier
Laienschwestern, die seinen Haushalt
führen, feiert er in der päpstlichen
Privatkapelle des Palastes die Frühmesse.
Erst danach ist Zeit für ein karges
Frühstück: Milchkaffee, Brot und Marmelade.
8:30 Uhr: Nach einem Blick auf
die Presseschau unterzeichnet Benedikt die
Ernennungsurkunden für zwei neue Bischöfe
in Argentinien und Vietnam. Dann gilt es,
ein Beileidstelegramm anlässlich des Todes
von Erzbischof von Tours, Kardinal Jean
Honoré, zu unterschreiben.
10:50 Uhr: Die letzten
Schreibtischarbeiten haben mit der
Würdigung des verstorbenen Kardinals am
Ende länger als geplant gedauert.
11:00
Uhr: Benedikt betritt die Sala
Clementina im apostolischen Palast, wo ihn
70 Kardinäle erwarten. Tosender Applaus
brandet ihm entgegen. Ein letztes Mal
huldigen die Kardinäle ihrem Oberhaupt.
Zunächst spricht ihr Dekan, der frühere
Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano, dem
Papst den Dank aller Purpurträger aus.
11:10 Uhr: Tief ernst lauscht
Benedikt den Worten Sodanos - des Mannes,
der während des Streits um die
Schwangerenkonfliktberatung in Deutschland
Ende der neunziger Jahre als sein
Widersacher galt. Nun hört Benedikt dem
damaligen Kardinalstaatssekretär mit
unbewegtem Gesichtsausdruck zu. Nur der
Lidschlag der Augen verrät, dass er nicht
erstarrt ist. Anschließend wendet er sich
selbst mit einem Wort des Dankes und der
Ermutigung an die Kardinäle.
11:30 Uhr: Benedikt spricht die
Kardinäle sehr direkt an. "In diesen acht
Jahren haben wir auf dem Weg der Kirche
sehr schöne Momente strahlenden Lichts und
andere erlebt, in denen sich manche Wolke
am Himmel zusammenzog." Heute tritt ein
altersschwacher Papst mit wachem Geist vor
die Kardinäle und fordert sie zur Einheit
untereinander auf, wohl eingedenk der
bevorstehenden Grabenkämpfe beim Konklave
zur Wahl des nächsten Kirchenoberhaupts.
Seinem Nachfolger, den sie bald aus ihren
eigenen Reihen wählen werden, verspricht
er schon jetzt Gebet und Gehorsam. Wenige
Stunden später geht die Führung der Kirche
in die Hände der Kardinäle über. Von
Montag an treffen sie sich täglich unter
der Leitung des Kämmerers, Kardinal
Tarcisio Bertone, um die wichtigsten
Angelegenheiten weiterzuführen und den
Termin der Papstwahl zu bestimmen. Bertone
wird auch den Fischerring Benedikts heute
Morgen mit einem silbernen Hammer
zerstören.
11:40 Uhr: Eine Nachricht von
er anderen Seite des Globus' macht die
Runde. Der Erzbischof von Sydney
kritisiert den Papstrücktritt. Kardinal
George Pell nennt die Entscheidung des
Papstes destabilisierend. Pell werden im
Konklave kaum Chancen eingeräumt. Die
sechs deutschen Kardinäle haben sich nach
eigenem Bekunden nicht auf einen
Kandidaten festgelegt.
11:50
Uhr: Nach seiner Ansprache nimmt
Benedikt die Glückwünsche eines jeden
Kardinals einzeln entgegen, lässt sich den
Fischerring als Zeichen der Papstwürde
küssen und legt manchem noch einmal
freundlich den Arm auf die Schulter.
13:00 Uhr: Nach dem Abschied
von den Kardinälen ist es nur noch wenig
Zeit bis zum kargen Mittagessen im Kreis
der päpstlichen Familie.
Kurz vor 17:00 Uhr: Es folgt
die Verabschiedung der Spitzen des
vatikanischen Staatssekretariats im
Damasus-Hof des apostolischen Palastes,
dann geht es mit dem Wagen zum
Hubschrauberlandeplatz im Vatikan. Von
dort wird Benedikt in die päpstliche
Sommerresidenz in Castel Gandolfo
geflogen. In den Ferien spielte Benedikt
hier gern Bach und Mozart auf dem Klavier.
17:30 Uhr: Benedikt steigt auf
die Loggia der Residenz. Mehrere tausend
Bewohner und Anhänger begrüßen ihn mit
brennenden Fackeln. Dann sagt er: "Ich bin
glücklich hier mit euch zu sein. Eure
Zuneigung tut mir sehr gut. Ihr wisst,
dass dieser Tag heute anders ist als die
anderen Tagen. Ab acht Uhr bin ich nur
noch ein Pilger." Benedikts letzte Worte
als Papst sind: "Gute Nacht und vielen
Dank."
20:00 Uhr: Das schwere
Hauptportal der Papstresidenz in Castel
Gandolfo wird geschlossen. Die
Schweizergarde zieht ihren Posten ab, das
ist das äußere Zeichen für das Ende des
Pontifikats.
Kommentar:
Tschüss!
von Olaf Majer
Wir
sind Papst - gewesen. Seit gestern
acht Uhr abends sind wir wieder
Fußvolk, gemeinsam mit dem deutschen
Staatsbürger Joseph Ratzinger,
derzeitiger Wohnort Castel Gandolfo,
Italien. Das passt dann wieder zu
uns und unserer Geschichte: Mit
einem bescheidenen Rücktritt kommen
wir gedanklich weitaus besser
zurecht als mit dem päpstlichen
Unfehlbarkeitsanspruch. Und
Niederlagen gegen Italien sind
zumindest deutschen Fußballern
bestens vertraut.
Mit Johannes Paul II. verbinden
viele das lange Sterben unter aller
Augen. Benedikt XVI. steht für das
öffentliche Scheitern. Das ist nicht
schlimm, es erdet den Stellvertreter
Christi. Und doch hat ausgerechnet
dieser so strenge Nachfolger Petri
das Petrusamt revolutioniert: Nach
seinem Rücktritt gibt es für jeden
Pontifex die Brücke zurück ins
einfache Leben. Das beraubt dem Amt
den sakralen Glanz. Aber die Kirche
gewinnt Mitmenschlichkeit zurück.
Ab jetzt also: Pontifex
emeritus, Rentner Ratzinger. Dem
Mann, dem oft einfache Worte schwer
fielen, gelingt ein Abgang in
schlichter Würde. Ciao Benedetto,
Tschüss Papst!
Stimmen:
Dietrich
Oettler (38), Pfarrer der
katholischen Gemeinde St. Joseph
Borna: "Benedikt XVI. hat in einer
Zeit großer Verunsicherung ein
Gegengewicht gesetzt - etwa
gegenüber Zeichen aus der
morgenländischen Welt, die
gewalttätig daherkommt, es aber
keineswegs ist. Benedikt hat mit
seiner Regensburger Rede einen
klaren Standpunkt bezogen."
Wahl des neuen
Papstes beginnt am Dienstag
Konklave-Termin
Rom (dpa). Die mit Spannung erwartete
Wahl des Nachfolgers von Papst Benedikt
XVI. beginnt am kommenden Dienstag. Das
haben die in Rom versammelten Kardinäle
gestern (Freitag, 8. März 2013)
entschieden, wie der Vatikan mitteilte.
Die Purpurträger bestimmten den
Konklave-Beginn nach einem fünftägigen
Meinungsaustausch über die Lage der
katholischen Weltkirche, ihre Krisen und
die Anforderungen der Zukunft. An der Wahl
des Nachfolgers von Benedikt XVI. nehmen
115 Kardinäle teil. Benedikt war am 28.
Februar wegen nachlassender Kräfte
abgetreten.
Am Dienstagvormittag werden die
Kardinäle zunächst eine Messe im Petersdom
feiern, nachmittags beginnen sie das
Konklave in der Sixtinischen Kapelle,
teilte der Vatikan weiter mit. Wie lange
das Konklave dauern wird, hängt von der
Zahl der erforderlichen Wahlgänge ab. Der
Papst muss mit Zweidrittel-Mehrheit
gewählt werden. Das Quorum liegt damit bei
77 Purpurträgern.
Text: Leipziger Volkszeitung (09.03.2013) Foto:
Bis der weiße Rauch
aufsteigt
In Rom bereiten sich die Kardinäle auf die
Wahl des neuen Papstes vor
Rom.
Es ist die wohl geheimnisvollste
Wahlversammlung unserer Zeit: Hinter
verschlossenen Türen in der Sixtinischen
Kapelle wählen bald 115 Kardinäle den
neuen Papst. Wie das Wahlverfahren läuft,
ist geregelt - bis in manch kurioses
Detail hinein. Andere Dinge bleiben
mysteriös.
In Rom sind Wahlplakate für Kardinal
Peter Turkson aufgetaucht. Doch der
Ghanaer hat damit nichts zu tun: Eine
Künstlergruppe hat sich einen Scherz
erlaubt. Einen Wahlkampf für einen
Papstkandidaten gibt es nämlich nicht.
Dennoch sprechen die Kardinäle aus
aller Welt natürlich über Personen. Bis
zum Beginn des Konklaves treffen sie sich
täglich zu einer Aussprache über die Lage
der Kirche. Dabei können sie sich
kennenlernen, Kandidaten beobachten. Über
Namen wird in diesen Sitzungen nicht
gesprochen. Das geschieht in
Sitzungspausen, beim Essen, bei
vertraulichen Treffen - zu zweit oder in
kleinen Gruppen. Wem traut man zu, die
Kirche zu leiten?
Solche Gespräche laufen sehr diskret
ab, sagt Kardinal Joachim Meisner.
Deswegen sind öffentliche Spekulationen
über Kandidaten und Mehrheiten eben genau
das - Spekulation. Das Kardinalskollegium
sei kein "Sammelsurium von Fraktionen und
Parteien", sagt Kardinal Karl Lehmann.
Die Wahl selbst gleicht eher einer
Liturgie als einer Parlamentsabstimmung.
Es gibt keine Vorschlagsliste. Jeder
Kardinal schreibt einen Namen auf einen
Stimmzettel. "Möglichst in verstellter,
aber deutlicher Schrift", heißt es im
Regelwerk. Die Kardinäle können jeden
männlichen, ledigen Katholiken auf den
Zettel schreiben. Theoretisch jedenfalls.
Einzeln treten sie dann an den Altar
der Sixtinischen Kapelle und legen den
Wahlzettel in die Urne. Im Angesicht von
Michelangelos "Jüngstem Gericht" sagen
sie: "Ich rufe Christus, der mein Richter
sein wird, zum Zeugen an, dass ich den
gewählt habe, von dem ich glaube, dass er
nach Gottes Willen gewählt werden sollte."
Zugang nur für Beichtväter, Ärzte
und Hauspersonal
Bis zu vier Wahlgänge pro Tag sind
vorgesehen. Solange bis ein Kandidat die
Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht hat. Seit
1831 hat das nie länger als vier Tage
gedauert.
In dieser Zeit ist der Vatikan
Sperrgebiet: Die Kardinäle dürfen sich
hier aufhalten, ein paar Wahlhelfer,
Ordensleute als Beichtväter, zwei Notärzte
sowie Hauswirtschaftspersonal. Braucht ein
kranker Kardinal, wie etwa der koptische
Patriarch Naguib, einen Pfleger, darf auch
dieser mit.
Bei der Wahl in der Sixtina sind die
Kardinäle unter sich: Helfer teilen die
Wahlzettel aus und müssen dann hinaus.
Auch für die Zettel gibt es Vorschriften:
Rechteckig, und so groß, um sie zweimal zu
falten. Außerdem soll der Satz "Eligo in
Summum Pontificem" - lateinisch für: "Ich
wähle zum obersten Priester" - vorgedruckt
sein. Durch das Wort "Eligo" sticht der
Kardinal nach der Auszählung der Stimmen
eine Nadel, um die Wahlzettel auf einer
Schnur aufzureihen. So werden sie
verbrannt. Spätestens nach zwei
Wahlgängen. Der Rauch des Feuers ist das
einzige Zeichen, mit dem die Außenwelt
über den Stand der Wahl informiert wird.
Text: Ulrich Waschki, Tag des Herrn (10.03.2013) Foto: unbekannt
Kardinäle führen
letzte Gespräche vor Konklave
Vatikanstadt (AFP). Zum letzten Mal
vor dem Konklave haben sich gestern
(Montag, 11. März 2013) im Vatikan die
wahlberechtigten Kardinäle getroffen, um
über Herausforderungen und mögliche
Kandidaten für das Papstamt zu
diskutieren. Danach gönnten sie sich einen
freien Nachmittag zur Vorbereitung auf die
heute beginnende Papstwahl. Als Favoriten
gelten unter anderem der Mailänder
Erzbischof Angelo Scola und sein
Amtskollege aus São Paulo, Odilo Scherer.
Die Zusammenkunft der Kardinäle war
die zehnte und letzte Sitzung zur
Vorbereitung des Konklave. Heute
Nachmittag treffen sich die 115
Würdenträger wieder - dann werden sie in
der Sixtinischen Kapelle einen ersten
Wahlgang abhalten.
Text: Leipziger Volkszeitung (12.03.2013) Foto:
Petersdom in
Purpurrot: 115 Kardinäle beginnen mit
Papstwahl
Rom.
Der Wahlkrimi beginnt: In Rom wird seit
gestern (Dienstag, 12. März 2013) der 266.
Nachfolger Petri gesucht. Zum Auftakt des
ersten Konklave-Tages kamen am Morgen
Kardinäle, Priester und Touristen aus
aller Welt zu einer feierlichen Messe im
Petersdom zusammen. Am Nachmittag zogen
die 115 wahlberechtigten Purpurträger in
die Sixtinische Kapelle ein. Um 17:30 Uhr
wurden die Türen zum Konklave geschlossen.
Bei der ersten Abstimmung wurde noch kein
Papst gewählt. Heute folgen bis zu vier
weitere Wahlgänge. Als Favoriten gelten
die Kardinäle Angelo Scola (Italien) und
Odilo Scherer (Brasilien), als
Kompromiss-Kandidaten werden Seán O'Malley
(USA) und Leonardo Sandri (Argentinien)
genannt.
Rom (epd). Im Vatikan hat gestern
(Dienstag, 12. März 2013) die Wahl des
neuen Papstes begonnen. Der erste Wahlgang
endete dabei erwartungsgemäß ergebnislos -
am Abend stieg schwarzer Rauch über der
Sixtinischen Kapelle auf, als Zeichen
dafür, dass noch kein neuer Pontifex
gefunden wurde. Die erste Abstimmung galt
allerdings ohnehin nur als Testwahl. Zuvor
waren die 115 wahlberechtigten Kardinäle
in die Sixtinische Kapelle eingezogen.
Danach forderte Zeremonienmeister Guido
Marini alle nicht an der Wahl beteiligten
Personen mit den lateinischen Worten
"extra omnes" auf, den Raum zu verlassen.
Es folgte der Einschluss im sogenannten
Konklave. Abgeschirmt von der Außenwelt
sollen die Kardinäle den Nachfolger von
Benedikt XVI. bestimmen. Nötig sind dazu
zwei Drittel der Stimmen.
Ab heute wollen die Kardinäle
vormittags und nachmittags zu jeweils zwei
Wahlgängen zusammenkommen. Mittags und
abends werden dann die Stimmzettel
verbrannt, so dass Rauch aufsteigt und die
Pilger auf dem Petersplatz informiert
werden. Die unterschiedliche Farbe wird
mittels Zugabe einer Chemikalie erzeugt.
Weißer Rauch signalisiert dabei die Wahl
eines neuen Papstes.
Text: Leipziger Volkszeitung (13.03.2013) Foto:
Videos: Phoenix
Viva il Papa: Ein
Argentinier!
Mit Franziskus I. kommt erstmals seit über
1.000 Jahren der Papst nicht aus Europa
Rom.
(dpa/dapd/AFP/epd). Premiere bei der
Papstwahl: Zum ersten Mal seit über 1.250
Jahren kommt das Oberhaupt der
Katholischen Kirche nicht aus Europa: Der
76-jährige Argentinier Jorge Mario
Bergoglio wird Nachfolger von Benedikt
XVI. Der neue Papst wählte den Namen
Franziskus. Der 76-jährige war bislang
Erzbischof von Buenos Aires.
Um 19:05 Uhr war als Zeichen einer
erfolgten Wahl weißer Rauch aus dem
Schornstein der Sixtinischen Kapelle im
Vatikan aufgestiegen. Die Glocken des
Petersdoms läuteten, Gläubige und Pilger
schwenkten Fahnen und riefen "Viva il
Papa", es lebe der Papst. Tausende hatten
bei Regenwetter ausgeharrt.
Mit der traditionellen Formel "Habemus
Papam" verkündete Kardinalprotodiakon
Jean-Louis Tauran die Wahl des Konklave.
Das Konklave hatte erst am späten
Dienstagnachmittag begonnen und gehörte zu
den kürzesten in der Kirchengeschichte.
Die 115 wahlberechtigten Kardinäle
benötigten fünf Wahlgänge, um sich auf
einen Nachfolger für Benedikt XVI. zu
einigen. Der 85-jährige Deutsche war nach
knapp achtjähriger Amtszeit am 28. Februar
zurückgetreten. Es war der erste
freiwillige Amtsverzicht eines Papstes
seit mehr als 700 Jahren.
Der künftige Papst hat italienische
Wurzeln und in Deutschland studiert. Er
vertritt äußerst konservative
Auffassungen, zugleich pflegt der Jesuit
einen schlichten Lebensstil und ist ein
scharfer Kritiker sozialer
Ungerechtigkeiten.
Schon beim Konklave im Jahr 2005, aus
dem Benedikt XVI. als Papst hervorging,
soll der Erzbischof von Buenos Aires der
schärfste Konkurrent von Joseph Ratzinger
gewesen sein. Erst im vierten Wahlgang
setzte der konservative Flügel der
Purpurträger damals den damaligen
Präfekten der Glaubenskongregation und
deutschen Kurienkardinal gegen den als
progressiv geltenden Lateinamerikaner
durch.
Franziskus I. ist nach offizieller
Zählung der 266. Papst der katholischen
Kirchengeschichte, steht an der Spitze von
rund 1,2 Milliarden römisch-katholischen
Christen.
Ein Außenseiter auf
dem Stuhl Petri
76-jähriger Erzbischof von Buenos Aires
wird Franziskus I. / Große Hoffnungen auf
Reformen
Rom.
Der fünfte Wahlgang brachte die
Entscheidung: Erst stieg kurz nach 19:00
Uhr weißer Rauch aus dem Schornstein der
Sixtinischen Kapelle in den Nachthimmel.
Eine Stunde später wurde die Neuwahl des
Kirchenoberhaupts vom Balkon des
Petersdoms in Rom verkündet.
Kardinalprotodiakon Jean-Louis Tauran
teilte das Ergebnis des Konklaves mit den
traditionellen lateinischen Worten
"Habemus Papam" (Wir haben einen Papst)
mit.
Auf dem Petersplatz brach Jubel wie in
einem Fußballstadion aus, ein Aufschrei
ging durch die im Regen wartende Menge:
Der 266. Papst ist gekürt. Die Kardinäle
in der Sixtinischen Kapelle brauchten fünf
Wahlgänge, um denjenigen zu finden, der
die katholische Weltkirche der 1,2
Milliarden Gläubigen aus ihren Krisen
führen soll - auch in die Moderne des 21.
Jahrhunderts, hoffen viele.
Den argentinischen Nachfolger des
abgetretenen Benedikt XVI. empfingen die
Begeisterung der Massen, geschwenkte
Nationalfahnen und die überall in Italien
läutenden Glocken. Er gilt als volksnah
und schlicht, als resoluter Kämpfer gegen
Armut und Korruption. Vor Jorge Mario
Bergoglio, dem Jesuiten und Erzbischof aus
Buenos Aires, liegt ein ganzer Berg von
Problemen, seine katholische Kirche hat
eine Reihe Baustellen.
"Gott
hat schon entschieden", hatte der
kanadische Kardinal Marc Ouellet vor dem
Einzug in das Konklave noch gesagt. Den
Kardinälen musste also nur noch bewusst
werden, wer aus ihrer Runde ausgewählt
ist. Dafür brauchten sie fünf Wahlgänge,
eine nicht allzu große und eher "normale"
Anzahl von Urnengängen. Das Konklave vor
acht Jahren, das Joseph Ratzinger zum
Papst kürte, schaffte es in vier
Wahlgängen. Manche Kardinäle und
Vatikan-Kenner hatten den gestrigen Tag
als Tag des weißen Rauches im Auge. Bei
einem längeren Konklave hätte es wegen der
stattlichen Reihe von Kandidaten eine
Überraschung geben können.
Der Brasilianer Odilo Pedro Scherer
und der Italiener Angelo Scola waren
tagelang die Spitzenreiter der Spekulierer
über den neuen Papst gewesen. Bergoglio
tauchte immer dann schon auf, wenn viele
Favoriten oder Außenseiter mit Chancen
vorgestellt wurden. Ein Süd- oder
Nordamerikaner oder aber ein Italiener,
zwischen diesen sollte die Entscheidung
hinter verschlossenen Türen fallen, hieß
es. Lange waren US-Kandidaten die
Favoriten, doch ein "Yankee"-Papst der
Weltmacht USA wie Timothy Dolan galt
vielen doch als zu heikel für die Kirche.
Benedikts Pontifikat war eines auch
der tiefen Krisen, eines von Kritikern
beklagten Reformstaus und der
bürokratischen Pannen in Rom. Auf den 266.
Pontifex wartet nach dem Rücktritt des
Deutschen viel Arbeit, wobei er die
Interessen der Gläubigen aller Kontinente
im Auge behalten muss. Mehr Transparenz,
mehr Kommunikation am Heiligen Stuhle
selbst wie auch zwischen Rom und den
Bischöfen in aller Welt - das sind
Kurienreformen, die von den Purpurträgern
in den Tagen vor dem Konklave als
erforderlich in die Debatte gebracht
worden sind.
So
äußerten sich manche unzufrieden, weil
über die schwerwiegende "Vatileaks"-Affäre
um Dokumentenklau, Intrigen und Korruption
hinter den Vatikanmauern doch nicht
ausreichend diskutiert worden sei.
Das alles muss der erste Papst aus
Lateinamerika unter einen Hut zu bekommen
versuchen: Fortschritte in der Ökumene,
Lockerungen der Sexualmoral, eine stärkere
Rolle der Frauen in der Kirche und die
Zölibatsfrage bei den katholischen
Priestern. Das sind einige der
"europäischen" Anliegen an den Nachfolger
Benedikts.
Zur Person:
Jorge Mario Bergoglio
Mit Jorge Mario Bergoglio kommt
zum ersten Mal ein Papst aus
Lateinamerika. Bereits beim letzten
Konklave 2005 war der argentinische
Jesuit der stärkste Kontrahent
Joseph Ratzingers gewesen. Mit 76
Jahren und seiner etwas
gebrechlichen Gesundheit ging er in
die neue Papstwahl, aber eher als
Außenseiter.
Der Erzbischof von Buenos Aires
steht der äußerst konservativen
katholischen Vereinigung Communione
e Liberazione nahe. Zugleich geißelt
er jedoch stets mit klaren Worten
soziale Ungerechtigkeit. Oft wird er
deshalb "Kardinal der Armen"
genannt. Er bevorzugt zudem ein
unauffälliges Auftreten in der
Öffentlichkeit. Auch im Vatikan ist
er lieber im dunkeln Mantel und ohne
Kardinalshut unterwegs. In seiner
Heimat kollidierte Bergoglio zuletzt
mehrfach mit den Regierungen von
Néstor und Cristina Kirchner. So
wandte er sich erfolglos gegen die
Legalisierung der Homo-Ehe in
Argentinien.
Bergoglio wurde am 17. Dezember
1936 als Sohn italienischer
Einwanderer geboren. Sein Vater war
Bahnangestellter. In Buenos Aires
ging Bergoglio auf eine technische
Schule, die er als Chemie-Techniker
absolvierte. Mit 21 Jahren ging er
ins Priester-Seminar. Nach seiner
Priesterweihe 1969 verfolgte er
Theologiestudien und wurde 1973 zum
Provinzial des Jesuitenordens
berufen. Während der Militärdiktatur
in Argentinien führte Bergoglio mit
Strenge seine Ordensbrüder in strikt
religiöse Aufgaben zurück und
kritisierte die Befreiungstheologie.
1998 übernahm er die Erzdiözese von
Buenos Aires und wurde 2001 zum
Kardinal berufen.
Kommentar:
Sensation - aber keine Revolution in
Rom
von Olaf Majer
Ausgerechnet
Jorge Mario Bergoglio, der schärfste
"Konkurrent" von Joseph Ratzinger
bei dessen Wahl 2005. Eine Papstwahl
am 13.03.2013. Und eine Möwe, die
minutenlang vor dem entscheidenden
fünften Wahlgang auf dem Schornstein
der Sixtina verharrte. Mehr Symbolik
geht nicht. Der erste
Lateinamerikaner als Pontifex, der
erste Franziskus auf dem Stuhl
Petri. Ist das schon Revolution in
Rom?
Eine Sensations-Wahl ist es
gewiss. Es zeigt zunächst, dass sich
im Konklave Reformer und
Konservative so geschlossen
gegenüber standen, dass der Weg für
einen Überraschungskandidaten, den
vorsichtigen Reformer aus
Argentinien frei wurde. Doch die
Freude, dass zumindest Ratzingers
unglückseliger Regierungschef
Kardinal Bertone verhindert wurde,
kann den Blick nicht trüben, dass
auch dieser Papst nicht übers Wasser
gehen kann. Der Problemberg ist
genauso hoch, wie beim Arbeitsbeginn
des Weinbergarbeiters Benedikt. Er
ist sogar noch um die
Vatileaks-Affäre, den sexuellen
Priester-Verfehlungen oder der
erodierenden Vatikanbank gewachsen.
Ein 76-jähriger soll dies nun alles
angehen. Bergoglios Bonmots, die
Kardinäle hätten erst am Ende der
Welt den neuen Bischof von Rom
gefunden, ist ein bitterer Scherz.
Habemus Papam, ja. Aber das Warten
auf das Osterlicht für eine Kirche
der Zukunft geht weiter.
Rom (dpa/AFP). Der neue Papst
Franziskus hat am Tag nach seiner Wahl
seine erste Messe im Vatikan gefeiert. Er
kam gestern (Donnerstag, 14. März 2013) in
der Sixtinischen Kapelle mit den 114
wahlberechtigten Kardinälen zusammen, die
dort mit ihm an dem Konklave teilgenommen
hatten. Der Gottesdienst "Per la Chiesa"
beendet offiziell das Konklave. Die
Kardinäle hatten am Vortag den Argentinier
zum neuen Papst gewählt.
Kritiker veröffentlichten gestern in
sozialen Netzwerken alte Fotos, die Jorge
Mario Bergoglio - wie der neue Papst als
Kardinal hieß - neben dem Chef der
argentinischen Militärdiktatur
(1976 - 1983), Jorge Rafael Videla,
zeigen. Franziskus wird vorgeworfen,
Ordensbrüdern damals nicht ausreichend
Rückendeckung gegeben zu haben. Der
brasilianische Befreiungstheologe Leonardo
Boff sieht dagegen keine Grundlage für
eine angebliche Nähe des neuen Papstes zur
früheren argentinischen Diktatur.
Text: Leipziger Volkszeitung (15.03.2013) Foto:
"Franziskus I. rückt
die Armen ins Blickfeld"
Papstwahl begrüßt
Borna (nn). Der Pfarrer der
katholischen Gemeinde Borna, Dietrich
Oettler, hat die Wahl des 76-jährigen
Argentiniers Jorge Mario Bergolio zum
neuen Papst begrüßt. Die Namenswahl des
neuen Kirchenoberhauptes, der sich nach
dem Ordensgründer Franz von Assisi
Franziskus I. nennt, sei durchaus
programmatisch zu verstehen. Oettler
betonte, Franziskus I. werde ebenso wie
sein Vorgänger, Benedikt XVI., "die Armen
und Bedürftigen ins Blickfeld rücken" -
ganz im Sinne des Franz von Assisi, der
für eine Erneuerung der Kirche gesorgt
habe. Mit jeder Papstwahl verlagere sich
der Schwerpunkt. Der Geistliche weiter:
"Es wird spannend." Er freue sich.
Der evangelische Superintendent
Matthias Weismann erklärte, in Sachen
Ökumene gebe es für den neuen Pontifex
maximus sehr viel zu tun. Weismann
betonte, dass es um die "freiwillige
Ökumene" nicht sehr gut bestellt sei. "Was
die Notökumene anbelangt, sind wir da
natürlich weiter", womit Weismann die
Zusammenarbeit über Konfessionsgrenzen
hinweg vor Ort in einer Diaspora-Situation
meint. Mit Blick auf das Engagement des
neuen Papstes für die Armen sagt Weismann,
"dass er sich offenkundig den wirklichen
Herausforderungen der Welt stellt".
Text: Leipziger Volkszeitung (15.03.2013) Foto:
Der Papst der Armen
Franziskus tritt feierlich sein Amt an /
Hoffnungen auf frischen Wind im Vatikan
Rom.
Der "Papst der Armen", wie der Argentinier
Jorge Mario Bergoglio in Rom bereits
genannt wird, trifft die Mächtigen. Sie
sind aus aller Welt zu seiner feierlichen
Amtseinführung (Dienstag, 19. März 2013)
geströmt. Zuerst wendet sich Franziskus
aber dem Volk, seinem Volk zu. Er dreht
mit seinem päpstlichen Jeep Runden auf dem
Petersplatz. Franziskus küsst kleine
Kinder, die ihm hingehalten werden, grüßt
nach links und nach rechts, hebt den
Daumen. Alles okay, bedeutet der neue Mann
auf dem Stuhl Petri der jubelnden Menge.
Er predigt zwar Demut, liebt aber auch das
Bad in der Menge. Und die Menge der
Gläubigen liebt ihn.
Kein Zweifel: Franziskus sorgt für
frischen Wind in Rom. Er begrüßt einfache
Kirchgänger persönlich, er fordert
Barmherzigkeit, etwas mehr Wärme in der
Welt. Er will eine arme Kirche und eine
Kirche für die Armen. Und er will helfen,
das ganze Volk Gottes, die gesamte
Menschheit mit Liebe und Zärtlichkeit zu
umarmen, "besonders die Ärmsten, die
Schwächsten, die Geringsten." Sagt
Franziskus in der Predigt, und er sagt es
auch den angereisten
"Verantwortungsträgern".
Auch bei der Wahl seiner Insignien
setzt er Zeichen: Sein Fischerring ist
nicht aus purem Gold, sondern nur
vergoldetes Silber, sein Pallium, eine Art
Schal, ist "gebraucht", stammt von
Vorgänger Benedikt XVI. Einfach ist selbst
die Blumendekoration gehalten, die bei
dieser "Krönungsmesse" den Altar vor dem
Petersplatz schmückt. Alle Zeichen der
Schlichtheit begleiten diese
Charme-Offensive des 76-jährigen aus
Buenos Aires, auch die Messe ist einfacher
gehalten.
Wie ein Zeichen des Himmels strahlt an
diesem Hochfest des heiligen Josef, der
auch der Namenstag des Joseph Ratzinger
ist, die Sonne im blauen Himmel der Ewigen
Stadt. Sie hatte sich zuletzt rargemacht.
Franziskus beflügelt Hoffnungen auf
ein besseres Miteinander der Menschen und
Religionen. Lange kniet er am Grab des
ersten "Papstes" Petrus in der Krypta des
Petersdoms und betet. Dann schreitet der
lächelnde Papst, wie ihn die Italiener
nennen, mit ernstem Gesicht in einer
Prozession Richtung Petersplatz. Dort
erhält Franziskus seinen Fischerring und
das Pallium. Es scheint, als gehe alles
doch weniger pompös. In seiner Predigt
sagt der unkonventionelle Pontifex, dass
er sich als Diener versteht: "Nur wer mit
Liebe dient, weiß zu behüten."
Seine erste große Predigt vor den
Gläubigen ist ein soziales Programm. Es
zielt darauf, den Ärmsten, den Hungernden,
den Fremden und den Gefangenen zu helfen.
Franziskus will mit Macht dienen, auch der
Umwelt. Er plädiert dafür, dass jeder
Verantwortung übernimmt und Hoffnung
ausstrahlt - gegen all jene, die Tod,
Gewalt und Zerstörung über die bedrohte
Welt bringen wollen: "Erinnern wir uns
daran, dass Hass, Neid und Hochmut das
Leben verunreinigen." Vorgänger Benedikt
war ein Bewahrer seiner Kirche, Franziskus
will ein Behüter sein.
Auf den schmalen Argentinier warten
Herkulesaufgaben. Die römische Kurie, über
den "Vatileaks"-Skandal um Verrat und
Machenschaften im Vatikan ins Gerede
gekommen, muss gründlich reformiert
werden. "Ich habe einen heiteren Papst
angetroffen, der klare Vorstellungen hat",
sagt Argentiniens Staatspräsidentin
Cristina Fernández de Kirchner nach einem
Treffen mit ihrem Landsmann. "Aber er war
auch bewegt und besorgt wegen der immensen
Aufgabe, den Heiligen Stuhl zu führen, und
die Dinge zu ändern, die er ändern muss."
Der Vorsitzende der Deutschen
Bischofskonferenz, Robert Zollitsch,
warnt, der neue Papst brauche Zeit und
könne nicht alle Erwartungen auf einmal
erfüllen.
"Betet für mich. Amen." So schließt
Franziskus seine Predigt - und wendet sich
dabei auch an seine Landsleute im fernen
Argentinien, die sich zu einer Wache für
"ihren Papst" versammelt haben. Dann
twittert er noch die Kurzfassung seiner
Predigt: "Bewahren wir die Schöpfung."
"Betet für mich"
Demütig, bescheiden, herzlich: Papst
Franziskus begeistert Welt und Kirche
Rom.
Papst Franziskus ist gerade einmal eine
Woche im Amt. Dennoch hat er in dieser
kurzen Zeit schon beeindruckend viele
Zeichen gesetzt.
Schon beim ersten Auftritt auf dem
Balkon des Petersplatzes: Die Einladung
zum Gebet für seinen Vorgänger. Dann die
Bitte um ein Gebet in Stille für ihn
selbst. Der Name: Franziskus. Das gab es
noch nie. Zu groß erschien den Vorgängern
der populäre Heilige: In seiner radikalen
Christus-Nachfolge war Franz von Assisi
alles andere als ein Kuschelheiliger. Er
warf seinem Vater die Kleidung vor die
Füße, legte sich mit Papst und kirchlichem
Establishment an, überforderte seine
Mitbrüder mit seinen hohen Ansprüchen.
Franziskus - nicht nur ein Bekenntnis zu
Demut und Bescheidenheit, sondern
gleichzeitig ein Zeugnis eines großen
Selbstbewusstseins. Papst Franziskus hat
die Latte für sich selbst sehr hoch gelegt.
Dabei ist nicht nur der Name des neuen
Papstes eine Überraschung. Obwohl Jorge
Mario Bergoglio, der Erzbischof von Buenos
Aires, im letzten Konklave nach Joseph
Ratzinger der Kandidat mit den meisten
Stimmen gewesen sein soll, hatte ihn
diesmal kaum noch jemand auf der Rechnung.
Auch die Kardinäle nicht. Das sei wie so
oft im Leben: "Man hatte Pläne und dann
kommt es ganz anders", sagte Kardinal
Joachim Meisner. Trotzdem war das Konklave
beeindruckend schnell: Nur fünf Wahlgänge
brauchten die Kardinäle für die Wahl. Eine
Abstimmung und eine gute Stunde mehr als
2005. Es sei "kein
Spitz-auf-Knopf-Entscheid" gewesen, sagte
Kardinal Rainer Maria Woelki.
"Ach, wie möchte ich eine arme
Kirche für die Armen"
Und nun begeistert Papst Franziskus -
der selber bislang immer nur vom "Bischof
von Rom" und nicht vom Papst sprach - die
Menschen. Er predigt kurz und frei,
verzichtet auf Herrschaftsgesten und
-symbole, wenn er etwa das
Gehorsamsversprechen der Kardinäle nicht
auf dem Papstthron sitzend, sondern auf
Augenhöhe stehend entgegennimmt. Schon
wirkt er für viele wie das Gegenbild
seines Vorgängers. Im persönlichen
Auftritt unterscheiden sich Benedikt XVI.
und Franziskus voneinander. Benedikt war
in der persönlichen Begegnung fast
schüchtern, Franziskus wirkt herzlich,
kontaktfreudig, wenn er einfachen
Gläubigen die Hände schüttelt oder sich
umarmen lässt.
Benedikt entzog sich den vatikanischen
Traditionen nicht. Er trug die roten
Schuhe, den pelzbesetzten roten
Schulterumhang, er nutzte die
Staatskarosse. Man darf getrost davon
ausgehen, dass auch Benedikt XVI. all
diese Dinge herzlich egal waren,
betrachtet man seinen persönlichen, fast
bedürfnislosen Lebensstil.
Franziskus verzichtet bewusst auf
diese Symbole. Eine starke Geste. Ein
Gegenpol zu Benedikt XVI. ist er aber
nicht. Ein Blick in seine ersten Predigten
und Ansprachen genügt: "Christus ist die
Mitte (der Kirche), nicht der Nachfolger
Petri." Und: "Ach, wie möchte ich eine
arme Kirche für die Armen." Es scheint,
als setzte Franziskus hier die
Entweltlichungspredigt, die Papst Benedikt
in Freiburg gehalten hat, fort: Es geht
nicht um die Kirche als Institution, nicht
um Macht und Privilegien, sondern um
Christus. Ihn zu verkünden, ist Aufgabe
der Kirche.
Mit der Forderung nach einer armen
Kirche kann der so demütig und herzlich
auftretende Papst noch ganz schön unbequem
für die reichen Kirchen der sogenannten
ersten Welt werden. Bei seiner
Amtseinführung blieb er bescheiden: Wieder
schwarze Schuhe, wieder eine eher
schlichte Mitra. Und am Ende der Predigt
die einfache Bitte: "Betet für mich!"
Die Barmherzigkeit Jesu betonte
Franziskus bei seinem ersten
Angelus-Gebet. Jesus verurteilte nicht,
sondern habe nur "Worte der Liebe und der
Barmherzigkeit". Barmherzigkeit, die es
aber nicht zum Nulltarif gibt, wie manche
Zeitgenossen wünschen: Gott "wird nicht
müde, uns zu vergeben, wenn wir es
verstehen, zu ihm zurückzukehren mit einem
reuigen Herzen". Der Mensch muss selbst
etwas tun - Reue zeigen und um Vergebung
bitten. Auf die nächsten Zeichen des
Papstes darf man gespannt sein. Ebenso auf
die Veränderungen im Vatikan, die sicher
kommen werden. Zwar hat Franziskus alle
führenden Köpfe der Kurie in ihren Ämtern
bestätigt. Aber nur provisorisch. Mit
Franziskus weht ein neuer Wind im
Kirchenstaat.
Text: Ulrich Waschki, Tag des Herrn (24.03.2013) Foto: dpa
Freude, Überraschung
und Erwartungen
Ostdeutsche Kirchenvertreter zur Wahl von
Papst Franziskus
Dresden/Erfurt/Görlitz/Magdeburg
(tdh/epd). Mit Freude und Dankbarkeit,
aber auch mit Überraschung haben
Kirchenvertreter in Ostdeutschland auf die
Wahl von Papst Franziskus reagiert.
"Kardinal Jorge Mario Bergoglio hat
sich bei seinem ersten Auftritt ruhig und
bescheiden, fromm und freundlich
präsentiert", heißt es in der
Stellungnahme des Bistums Dresden-Meißen.
Diözesanadministrator Michael Bautz bringt
darin auch seine Hoffnung zum Ausdruck,
dass der bisherige Erzbischof von Buenos
Aires "sicher ein glaubwürdiger,
überzeugender Vertreter der katholischen
Kirche und ein guter Vater für alle
Gläubigen sein" werde.
In der Stellungnahme des
Diözesanadministrators des Bistums Erfurt,
Weihbischof Reinhard Hauke, heißt es, die
Herkunft des ersten Nichteuropäers auf dem
Stuhl Petri unterstreiche, dass die
katholische Kirche eine Weltkirche sei.
Die Kirche vereinige einmütig Menschen
aller Kontinente als Brüder und
Schwestern, erklärte Hauke. Franziskus
habe "das Steuer des Schiffleins Petri in
einer unruhigen Zeit ergriffen" und werde
darum als "Pontifex", als Brückenbauer,
besonders gefordert sein. Als Beispiele
nannte Hauke die Situation innerhalb der
katholischen Kirche und die Ökumene.
Die Wahl des neuen Papstes ist für den
Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt ein
großer Schritt in Richtung Weltkirche. Er
erhoffe sich von Papst Franziskus
"Anregungen und Impulse, die er einbringen
kann aus seiner bisherigen Arbeit in
Lateinamerika". Das sei umso wichtiger, da
"es in der Kirche im alten Europa
zusehends an Glaubenskraft mangelt".
Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige
sieht in der Wahl des neuen Papstes Grund
zur Hoffnung auf Reformen im Vatikan. Auf
jeden Fall müsse im Vatikan und vor allem
bei der Kurie, dem verlängerten Arm des
Papstes, "vieles neu geregelt werden",
sagte Feige in einem Interview. In der
Vergangenheit seien einige Pannen
passiert, die weniger dem Papst als
vielmehr dem Apparat anzulasten seien.
Zudem müsse das Verhältnis von Rom und den
Ortskirchen, die mehr Selbstständigkeit
bekommen sollten, neu austariert werden.
"Ein gewisser Zentralismus ist abzubauen",
betonte Feige. In Bezug auf die Ökumene
könne der Papst wichtige Signale senden
und Impulse geben. Jedoch könne er nicht
alle unerledigten Aufgaben auf einmal
lösen.
Positive Reaktionen gab es auch von
Vertretern der evangelischen Kirche in
Ostdeutschland. Der Görlitzer
Generalsuperintendent Martin Herche
schreibt: Möge durch das Pontifikat von
Franziskus "das Zeugnis des Glaubens
gestärkt und der Blick für alle geistliche
und materielle Armut in unserer Welt
geschärft werden. Das Zeugnis des Glaubens
in Wort und Tat verbindet uns über die
Konfessionsgrenzen hinweg. Es ist mein
großer Wunsch, dass dadurch das Fragen und
die Sehnsucht nach Gott auch in unserem
Land wachsen können und die Bereitschaft
zur Verantwortung für ein gerechtes
Miteinander in unserer Welt noch viel mehr
Raum gewinnt". Die mitteldeutsche
Landesbischöfin Ilse Junkermann würdigte
Papst Franziskus als Persönlichkeit mit
ausgeprägtem Blick "auf die ungerechte
Verteilung der Güter dieser Erde".
Zugleich wünschte sie dem Papst "die
Freiheit, um der Menschenfreundlichkeit
unserer Botschaft willen vorgezeichnete
Bahnen verlassen zu können". Als Beispiel
nannte sie die Frage der
Empfängnisverhütung. "Hier könnte der neue
Papst Zeichen setzten."
Der anhaltische Kirchenpräsident
Joachim Liebig hat die Wahl von Papst
Franziskus begrüßt. Zwar teilte er nach
eigenen Worten mit vielen anderen die noch
geringe Kenntnis über den neuen Papst. Das
wenige Bekannte aber lasse ihn mit
Gewissheit hoffen, in Franziskus einen
Mann sehen zu können, der sich den
weltweiten Aufgaben des Christentums
beherzt stellen werde.
Text: Tag des Herrn (24.03.2013) Foto:
Historisches Bild:
Das Treffen der zwei Päpste
Franziskus spricht mit Benedikt in der
Sommerresidenz Castel Gandolfo
Rom.
Es ist ein in der Kirchengeschichte
einmaliges Treffen (Samstag, 23. März
2013): Zehn Tage nach seiner Wahl hat
Papst Franziskus seinen Vorgänger Benedikt
XVI. zu einem Gespräch aufgesucht.
Dutzende Gläubige, Schaulustige,
Fotografen und Journalisten hatten sich
vor der päpstlichen Sommerresidenz Castel
Gandolfo bei Rom versammelt - in der
Hoffnung, dass sich die beiden Päpste
einmal am Fenster zeigen würden. Bergoglio
hatte seinen Vorgänger seit dem Abend
seiner Wahl mehrmals gewürdigt und zweimal
angerufen.
Es ist das erste Mal seit
Jahrhunderten, dass ein Papst seinen
Vorgänger treffen kann, da Benedikt das
erste Kirchenoberhaupt seit dem
Mittelalter war, das zurückgetreten ist.
Coelestin V. war 1294 zum Papst gewählt
worden, um einen Streit zwischen den
Kardinälen zu beenden. Kurz nach seiner
Ernennung erließ er ein Dekret, das
Papstrücktritte ermöglichte, und dankte
bereits nach fünf Monaten ab.
Zum
Inhalt der Gespräche zwischen Franziskus
und Benedikt XVI. machte der Vatikan keine
Angaben. Die großen anstehenden Themen
dürften aber auf der Agenda gestanden
haben - von der Reform der Kurie über die
Vatileaks-Affäre bis zum Umgang mit dem
Missbrauchsskandal und die schwindende
Zahl der Kirchenanhänger. Die Zeitung La
Stampa sprach von einer "Machtübergabe"
auf Castel Gandolfo, wie es sie in der
Geschichte des Christentums noch nicht
gegeben habe.
Es heißt, Benedikt habe für Franziskus
ein Memorandum zum Fall Vatileaks
vorbereitet. Diese große Affäre hatte über
den Rücktritt hinaus Wellen geschlagen.
Medien hatten berichtet, ein geheimer
Untersuchungsbericht lege aller Heiligkeit
spottende Zustände um Macht-, Sex- und
Geldgelüste innerhalb der römischen Kurie
offen. Das Geheimdossier zu der Affäre um
den Dokumentenklau aus den päpstlichen
Gemächern liegt Franziskus bereits vor.