Rückblick
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Papst tritt zurück: "Nicht mehr genug Kraft für das Amt"
Völlig überraschend: Benedikt XVI. gibt zum 28. Februar sein Amt auf / Historisch: Erster Rücktritt eines Papstes seit 700 Jahren / Weltweit Respekt und Anerkennung - Nachfolge bis Ostern klar

Rom (maj/dpa). Paukenschlag im Vatikan: Papst Benedikt XVI. gibt völlig überraschend sein Amt zum 28. Februar auf. Seine Kraft reiche nicht mehr aus, erklärte der 85-jährige gestern (Montag, 11. Februar 2013) vor den Kardinälen in Rom. Der Vatikan rechnet mit der Wahl eines Nachfolgers bis zu Ostern Ende März. Zuletzt war ein Papst vor mehr als 700 Jahren zurückgetreten.

Die Ankündigung wurde weltweit mit Anerkennung und Verständnis aufgenommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zollte Benedikt für seine Entscheidung "allerhöchsten Respekt". Die Regierungschefin dankte dem Oberhaupt der katholischen Kirche für sein Wirken. Unvergessen bleibe für sie die Rede des aus Deutschland stammenden Papstes im Bundestag bei seinem Deutschlandbesuch im Jahr 2011. "Die Worte des Papstes werden mich noch lange begleiten", sagte Merkel in Berlin. Auch Bundespräsident Joachim Gauck drückte Achtung für den Rücktritt aus. Für solch einen "historisch höchst seltenen Beschluss sind großer Mut und Selbstreflektion nötig", sagte das Staatsoberhaupt in Berlin: "Beides findet meinen außerordentlichen Respekt."

Tillich bedauert Rücktritt

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich bedauert den Schritt. "Papst Benedikt wird in Sachsen in dauerhafter Erinnerung bleiben. Während seiner beeindruckenden Reise durch Deutschland konnten auch viele sächsische Christen den Heiligen Vater erleben", sagte Tillich. Mit Alois Andritzki habe Benedikt zudem einen sorbischen Kaplan selig gesprochen, der für seinen Glauben von den Nationalsozialisten ermordet wurde.

Respekt für den Rücktritt äußerte auch der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer. Zugleich kritisierte er die verpassten Chancen beim Deutschlandbesuch des Papstes 2011: Benedikt XVI. werde als Papst der "Stillstands-Ökumene" in die Geschichte eingehen.

Biograf: Druck aus eigenen Reihen

Der Papst-Biograf Andreas Englisch sieht indes auch Druck aus den eigenen Reihen, die Benedikt zum Rücktritt bewegten. "Viele werden schon gesagt haben: Das läuft alles nicht so rund wie es laufen sollte. Das ist ein netter, alter Herr, aber kein charismatischer Mann", sagte Englisch.

Papst-Bruder Georg Ratzinger war seit Monaten in die Rückzugspläne eingeweiht. So habe der Arzt dem Papst von transatlantischen Flügen abgeraten. Er persönlich halte die Entscheidung für richtig. Es sei "positiv, dass er seine Aufgabe in jüngere Hände gibt", so der frühere Regensburger Domkapellmeister Georg Ratzinger.

Umzug ins Kloster

Nach seinem Rücktritt als Papst wird Benedikt XVI. in ein frisch renoviertes Domizil in einem Kloster umziehen. Wenn das Oberhaupt der Katholiken sein Amt niedergelegt hat, werde es zunächst vorübergehend in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo südöstlich von Rom wohnen, erklärte Vatikansprecher Federico Lombardi laut Radio Vatikan. Sobald die Renovierungsarbeiten am Nonnenkloster innerhalb des Vatikans abgeschlossen seien, werde sich Benedikt XVI. dorthin zum Beten und Innehalten zurückziehen, hieß es weiter. Am Konklave für seinen Nachfolger werde der jetzige Papst nicht teilnehmen.

Als Favorit für seine Nachfolge gilt bei den Buchmachern der nigerianische Kardinal Francis Arinze, vor dem Ghanaer Peter Turkson und dem Kanadier Marc Ouellet. Es zeichnet sich ein enges Rennen ab.

Hintergrund: Zweiter Rücktritt in 2.000 Jahren

Ein Papst wird auf Lebenszeit gewählt, doch ist nach dem Kirchenrecht auch ein Rücktritt möglich. Hierfür muss das Kirchenoberhaupt keine Gründe nennen, auch muss niemand den Rücktritt annehmen. Der Rückzug muss aber freiwillig erfolgen.

In 2.000 Jahren Kirchengeschichte wurde jedoch bisher nur ein einziger weiterer Rückzug aus freien Stücken bekannt. Papst Coelestin V. gab 1294 nach nur fünf Monaten freiwillig sein Amt auf. Historiker sprechen von einem überforderten Sonderling, der kaum Latein konnte. Die Kardinäle hätten ihn nur zum Papst gewählt, weil sie sich nicht auf einen anderen Kandidaten einigen konnten. Coelestin zog sich nach seinem Rücktritt in ein Kloster zurück. Andere Historiker behaupten, sein Nachfolger Bonifaz VIII. habe Coelestin zum Abdanken gedrängt und in "Klosterhaft" geschickt.

Bereits im ersten und im dritten Jahrhundert wurden Päpste von römischen Kaisern aus dem Amt ins Exil gejagt. Auch Papst Benedikt IX. musste mehrfach Rom fluchtartig verlassen, bevor er 1045 den Heiligen Stuhl unter Druck räumte und die Amtswürden verkaufte. Der Rücktritt von Papst Gregor XII. im Jahr 1415 war ebenfalls nicht freiwillig. Bereits 1409 erklärte ihn ein Konzil für abgesetzt. Gregor weigerte sich aber jahrelang, das Feld zu räumen, ebenso wie der Gegenpapst Benedikt XIII. Da trotzdem Alexander V. zum neuen Papst gewählt wurde, gab es zeitweise drei Kirchenoberhäupter.
Text: Leipziger Volkszeitung (12.02.2013)
Foto: dapd

Ein Bewahrer, kein Reformer
Knapp acht Jahre regierte der Deutsche die katholische Kirche / Eine Bilanz seiner Amtszeit

Berlin/Rom. Fast acht Jahre dauerte das Pontifikat von Benedikt XVI. Nun zieht er selbst einen Schlussstrich. Radikale Umwälzungen waren nicht sein Ziel. Dennoch wird der deutsche Papst in Erinnerung bleiben.

Im inneren Fries der Kuppel von St. Peter in Rom steht in zwei Meter hohen Buchstaben ein Zitat aus dem Matthäus-Evangelium: "Tu es Petrus et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam. - Du bist Petrus und auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen." - Millionen Besucher der größten Kirche der Christenheit haben schon unter dieser Inschrift gestanden, aber niemand kann nur annähernd nachfühlen, mit welcher Wucht dieser Satz einen Menschen treffen kann. Die Verantwortung für eine weltumspannende, nichts anderes bedeutet "katholisch", Kirche zu tragen, verlangt eine schier übermenschliche Anstrengung. Papst Benedikt XVI. ist die Last zu groß geworden.

Obwohl jetzt keine schwere Krankheit ausschlaggebend für seine Entscheidung war und Joseph Ratzinger ein ungebrochen agiler Denker ist - der sich so schnell verändernden Welt fühlte er sich wohl nicht mehr gewachsen. Er nennt dies sein "Unvermögen", seine Kirche weiter gut durch die schwierigen Zeiten zu steuern.

Die überraschende Kunde aus Rom hat weltweit großes Erstaunen ausgelöst, nicht nur unter den Gläubigen, aber dort natürlich in besonderer Weise: Von Gott berufen, vom Heiligen Geist bestimmt - kann ein einfacher Mensch sich gegen diese Berufung wehren? Kann er das Amt, das von Gott selbst kommt, zurückgeben? Kann er sich selbst lossagen davon, "der Fels" zu sein, auf den die Kirche Jesu Christi gebaut ist?

Als das Konklave im Jahr 2005 den Kurienkardinal Ratzinger drei Tage nach dessen 78. Geburtstag an die Spitze der katholischen Kirche gewählt hatte, deutete der feingeistige Theologieprofessor aus Bayern an, wo er sich selbst lieber hinstellen würde: "Ich bin", sagte er, "nur ein einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn."

Machtanspruch wesensfremd

Im Grunde wird hierin schon der starke Spannungsbogen von Benedikts Pontifikat offenbar. Ein brillanter Theologe, ein begnadeter Formulierer in einer Vielzahl von Büchern und Schriften sollte fortan Papst sein - doch der Machtanspruch, der diesem Amt auch innewohnt, vor allem die Durchsetzung dieses Machtanspruches, scheinen Ratzinger wesensfremd. Ein Kenner hat ihn einmal "eine reine Seele" genannt, was vielleicht eine sehr freundliche Umschreibung ist für einen klugen alten Mann, dem die Wirklichkeit entglitten ist.

Doch das trifft es nicht ganz: Der Missbrauchsskandal hat den Papst mitgenommen, zumindest hat er feinfühliger und verantwortungsbewusster reagiert als einige seiner deutschen Mitbrüder im Bischofsamt. Die Piusbrüder, die Finanzskandale der Vatikanbank, die Vatileaks-Krise: Es ist ja nicht so, dass Benedikt das nicht mitbekommen hätte. Wer vom Vatikan aus die Weltkirche der weit über eine Milliarde Katholiken leiten wolle, brauche "die Kraft des Körpers als auch die Kraft des Geistes". Über einen vorzeitigen Abgang hatte der mittlerweile knapp 86-jährige zwar schon vorher philosophiert. Ein Datum dafür hatte er aber nicht genannt.

Sein Vorgänger, der überaus charismatische Johannes Paul II., verströmte bei aller Liebenswürdigkeit auch eine beträchtliche Bestimmtheit und Entscheidungsstärke bei der Führung der Kirche. An Ausstrahlung mangelt es auch Benedikt nicht - die vielfältigen Krisen der Kirche müssen ihn mehr gelähmt haben, als dass sie ihn inspiriert hätten, sich an dringend notwendige Reformen zu machen. Es ist müßig darüber nachzudenken, ob und wie sehr die Macht der Kurie hinter dem Rücken des Papstes gewirkt hat. Das tut die Kurie immer, die Frage ist, wie ein Papst die machtbewusste Männergesellschaft in Schach hält. Benedikts Begründung für den Rücktritt, er habe nicht mehr genug Kraft für sein Amt, beinhaltet ja bereits einen Auftrag an das Kardinalskollegium: Erwählt einen aus eurer Mitte, der über mehr Kraft, mehr Energie verfügt als ich, die jahrtausendealte Kirche zu tragen.

Respekt für Entscheidung

Als vor knapp acht Jahren das "Habemus Papam" für Ratzinger gesprochen wurde, titelte ein deutsches Boulevardblatt stolz: "Wir sind Papst". So schön diese Zeile klingt, gestimmt hat sie nie. Weder in Deutschland noch sonst in der Welt sind die Verhältnisse so, dass sich die Mehrheitsgesellschaft mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche verbinden lässt. Als moralische Instanz hat die Kirche ausgedient. Eine Rückbesinnung der Kirche auf sich selbst, wie es dem Papst vorschwebte, ist gewiss keine Lösung. Unter Johannes XXIII., dem Konzilspapst, war man da schon mal weiter.

Der Entschluss von Benedikt XVI., das große Amt nun aufzugeben, verdient höchsten Respekt. Er mag das Beispiel seines direkten Vorgängers vor Augen gehabt haben, dessen öffentliches Leiden und öffentliches Sterben. Die Stärke zu haben, die Schwäche des Menschen offen zu zeigen, ist nicht jedem gegeben. Das Beispiel, das Benedikt nun gibt, steht dafür, dass der Mensch seine Schwäche - auch die vor Gott - eingestehen kann. Die Barmherzigkeit Gottes ist so groß - sie lässt auch das zu. Und das ist doch zuletzt eine frohe Botschaft.

Dokumentation: Die Rücktrittserklärung im Wortlaut

Papst Benedikt XVI. hat gestern (Montag, 11. Februar 2013) in Rom bei einer Vollversammlung der Kardinäle mit folgenden Worten den eigenen Rücktritt angekündigt:

"Liebe Mitbrüder! Ich habe euch zu diesem Konsistorium nicht nur wegen drei Heiligsprechungen zusammengerufen, sondern auch, um euch eine Entscheidung von großer Wichtigkeit für das Leben der Kirche mitzuteilen. Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewissheit gelangt, dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben.

Ich bin mir sehr bewusst, dass dieser Dienst wegen seines geistlichen Wesens nicht nur durch Taten und Worte ausgeübt werden darf, sondern nicht weniger durch Leiden und durch Gebet. Aber die Welt, die sich so schnell verändert, wird heute durch Fragen, die für das Leben des Glaubens von großer Bedeutung sind, hin- und hergeworfen. Um trotzdem das Schifflein Petri zu steuern und das Evangelium zu verkünden, ist sowohl die Kraft des Köpers als auch die Kraft des Geistes notwendig, eine Kraft, die in den vergangenen Monaten in mir derart abgenommen hat, dass ich mein Unvermögen erkennen muss, den mir anvertrauten Dienst weiter gut auszuführen.

Im Bewusstsein des Ernstes dieses Aktes erkläre ich daher mit voller Freiheit, auf das Amt des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri, das mir durch die Hand der Kardinäle am 19. April 2005 anvertraut wurde, zu verzichten, so dass ab dem 28. Februar 2013, um 20:00 Uhr, der Bischofssitz von Rom, der Stuhl des Heiligen Petrus, vakant sein wird und von denen, in deren Zuständigkeit es fällt, das Konklave zur Wahl des neuen Papstes zusammengerufen werden muss.

Liebe Mitbrüder, ich danke euch von ganzem Herzen für alle Liebe und Arbeit, womit ihr mit mir die Last meines Amtes getragen habt, und ich bitte euch um Verzeihung für alle meine Fehler. Nun wollen wir die Heilige Kirche der Sorge des höchsten Hirten, unserem Herrn Jesus Christus, anempfehlen. Und bitten wir seine heilige Mutter Maria, damit sie den Kardinälen bei der Wahl des neuen Papstes mit ihrer mütterlichen Güte beistehe. Was mich selbst betrifft, so möchte ich auch in Zukunft der Heiligen Kirche Gottes mit ganzem Herzen durch ein Leben im Gebet dienen."

Hintergrund: Joseph Ratzinger zieht in ein Kloster im Vatikan

Nach dem Rücktritt wird Benedikt XVI. in ein renoviertes Domizil in einem Klausurkloster auf dem Gelände des Vatikans leben. Wenn das Oberhaupt der Katholiken sein Amt niedergelegt hat, werde es vorübergehend in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo südöstlich von Rom wohnen, erklärte Vatikansprecher Federico Lombardi gestern laut Radio Vatikan. Sobald die Renovierungsarbeiten am Nonnenkloster innerhalb der Vatikangrenzen - der Kirchenstaat ist 0,44 Quadratkilometer groß und hat etwa 930 Einwohner - abgeschlossen seien, werde sich Benedikt XVI. dorthin zum Beten und Innehalten zurückziehen, hieß es weiter. Am Konklave für seinen Nachfolger werde der jetzige Papst nicht teilnehmen.

Ein Papst bezieht kein Gehalt. Alles, was er zum Leben benötigt und was für seine Amtsausübung notwendig ist, wird ihm gestellt. Eine Rente für Päpste ist laut dem Erfurter Kirchenhistoriker Josef Pilvousek nicht vorgesehen. Nur die Ruhestandsgehälter eines Kardinals und die Rentenzahlungen von der Heimatdiözese könnten in Anspruch genommen werden. Bei Joseph Ratzinger kämen noch Ansprüche aus seiner Tätigkeit als Hochschullehrer hinzu - als Dogmatik-Professor lehrte er in Freising, München, Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg.
Text: Reinhard Urschel & Hanns-Jochen Kaffsack, Leipziger Volkszeitung (12.02.2013)
Foto: Public Address

Menschlich nachvollziehbar
Überraschung und Respekt für den angekündigten Papst-Rücktritt

Borna. Weltweit hat der Rücktritt von Papst Benedikt XVI. für Überraschung und Anerkennung gesorgt. Nach mehr als 700 Jahren ist der Heilige Vater das erste katholische Kirchenoberhaupt, das freiwillig sein Amt niederlegt. Auch in und um Borna bewegt die Entwicklung in Rom die Menschen.

Jessica Lehmann ist überrascht über den plötzlichen Rücktritt. Die 17-jährige ist selbst katholisch, fühlt sich aber persönlich nicht betroffen. Wenn zu Ostern ein neuer Papst gewählt wird, will sie das nicht unbedingt verfolgen: "Das erfährt man so oder so."

Wolfgang Gerlach sieht den Rücktritt zwiespältig: Einerseits kann er nicht verstehen, dass der deutsche Papst als Erster nach über 700 Jahren freiwillig auf sein Amt verzichtet. "Andererseits kann man in dem Alter und bei schlechter Gesundheit nicht mehr als Kirchenoberhaupt die katholische Welt leiten", sagt der 70-jährige. Persönlich hat er allerdings keinen Bezug zur Kirche, weil er nicht religiös ist.

"Es war eine mutige Entscheidung, sich nicht am Stuhl festzuhalten", sagt Sigmar Miltschuss aus Flößberg. Den Rücktritt und auch die Neuwahl verfolgt er mit Interesse, obwohl er ebenfalls nicht kirchlich ist. Der 65-jährige vermutet jedoch, die Abdankung könnte aus anderen Gründen geschehen als den offiziell genannten. "Vielleicht spielen da Intrigen mit rein", sagt er.

Monika Gebel ist auf die Wahl des neuen Papstes gespannt. Die 57-jährige aus Borna gehört selbst nicht der Kirche an, versteht den Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen aber: "Es war sicher die richtige Entscheidung von ihm, jetzt zu gehen."

Pfarrer Thomas Schorcht aus Zwenkau, auch für Pegau zuständig, dachte zunächst an einen Faschingsscherz, als er die Nachricht vom Rücktritt des Papstes im Radio vernahm. "Aber es war ernst", stellte er schnell fest und machte sich seine Gedanken: "Unsere Kirche wird sicher nicht gleich untergehen, bei drei Milliarden Mitgliedern weltweit, aber es ist ein herber Schlag. Ich habe großes Verständnis für diese Entscheidung, wenngleich ich doch sehr traurig darüber bin. Papst Benedikt XVI. war und ist ein großer Gelehrter und ein sehr geistvoller Mensch. Ich hoffe, dass er nach seinem Rücktritt die nötige Ruhe findet und weiterhin kluge Bücher schreibt. Ich liebe seine Bücher sehr."

Thomas Schorcht, 69, war zur Wendezeit Pfarrer in Borna. Noch heute sind ihm zwei Begegnungen mit Joseph Ratzinger im Gedächtnis. Als Bischofssekretär in seiner Heimatstadt Dresden traf Schorcht vor nunmehr vier Jahrzehnten den damaligen Theologieprofessor Ratzinger persönlich, und im Jahr 2006 wohnte er mit Tausenden Gläubigen dem Papstbesuch in der bayrischen Wallfahrtsstadt Altötting bei. "Er hat dort eine sehr mutmachende und ergreifende Rede gehalten", erinnert sich der Pfarrer.

Den Schritt Benedikts XVI., sein Pontifikat aus gesundheitlichen Gründen Ende Februar abzugeben, nennt Schorcht "mutig". Und weiter: "Da müssen wir jetzt durch. In vielen Dingen hatte man das Gefühl, dass der Wind unserer Kirche sehr stark ins Gesicht bläst. Und Papst Benedikt hat sicher auch einige Fehler gemacht. Aber man muss auf der anderen Seite auch das Alter achten und ehren und natürlich die menschliche Uhr beachten. Ich habe große Hochachtung vor Papst Benedikt und denke, dass er als Theologe sicher weiter ein Leitungsamt in Rom übernimmt."

Für den neuen katholischen Bornaer Pfarrer Dietrich Oettler, seit wenigen Monaten im Amt, ist der angekündigte Rückzug von Benedikt XVI. "weise, vernünftig und menschlich nachvollziehbar". Joseph Ratzinger sei 85 Jahre und habe bemerkt, dass seine Kräfte nachlassen. Das katholische Kirchenrecht lasse eine Entscheidung, wie sie der Papst vorgestern getroffen hat, zu. Der scheidende Pontifex maximus habe in seiner Amtszeit viel bewegt, ist Oettler überzeugt. In einer Zeit, in der es heftige Debatten über Themen wie Rassismus und Sexismus gebe, habe der Papst auf objektive Werte verwiesen. Der 38-jährige weiter: "Der Papst hat Unangenehmes gesagt und uns allen damit einen Dienst erwiesen." Dazu gehöre auch die sogenannte Regensburger Rede im Jahr 2006, in der er sich mit den Unterschieden zwischen dem christlichen Abendland und dem Morgenland auseinandergesetzt habe, was zweifellos Konfliktstoff berge, so Oettler.

Superintendent Matthias Weismann nennt es "beeindruckend und normal", dass der Papst "als Mensch seinen Ruhestand antritt". Das mache deutlich, dass sich Benedikt als Menschen sehe, der "sterblich und ersetzbar" sei. Dem scheidenden Oberhaupt der katholischen Kirche sei allerdings in seiner achtjährigen Amtszeit kein ökumenischer Durchbruch gelungen. Vielmehr gebe es einen "ökumenischen Stillstand", so Weismann weiter. Da seien die Verantwortlichen der beiden Konfessionen vor Ort oftmals schon viel weiter. Allerdings lasse sich der Papst auch nicht als "Anti-Ökumeniker" bezeichnen.
Text: Kathrin Haase, Stefanie Dietz & Nikos Natsidis, Leipziger Volkszeitung (13.02.2013)
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Der Papst, der überraschte
Der Rücktritt war nicht das einzig Unerwartete im Pontifikat Benedikt XVI.

Rom. Als Joseph Ratzinger vor fast acht Jahren zum Papst gewählt wurde, meinten viele Beobachter: Von diesem Papst kann man Überraschungen erwarten. Die größte Überraschung bescherte er der Welt mit seiner unerwarteten Rücktrittsankündigung.

Benedikt XVI. fügt damit dem Papstamt eine neue, zeitgemäße Facette hinzu. Dass er einen solchen Rücktritt für möglich hielt, hatte er schon mehrfach ausgesprochen. Dennoch: "Wie ein Blitz" habe die Ankündigung die Kardinäle getroffen, sagte der Dekan des Kardinalskollegiums, Angelo Sodano. Nichts deutete auf den Zeitpunkt hin. Keine Gerüchte, Andeutungen oder bekannte Erkrankungen.

Schon unmittelbar nach seiner Wahl hatte der Papst viele Menschen überrascht: Er wirkte so freundlich, zurückhaltend, ja beinahe schüchtern - ein völliger Gegensatz zum Image des "Panzerkardinals", des knallharten Glaubenswächters. Diese Rolle konnte er mit dem Wechsel von der Glaubenskongregation in den apostolischen Palast auf der anderen Seite des Petersdoms abstreifen: Von der "Zärtlichkeit Christi" und dessen "leidenschaftlicher Liebe" sprach Kardinal Ratzinger in seiner Predigt vor dem Konklave, an dessen Ende er neuer Papst war. "Gott ist die Liebe" - der Titel seiner ersten Enzyklika ist die Botschaft, die er verbreiten wollte. Dabei konnte Benedikt XVI. den ehemaligen Professor nie verbergen. Einen "großen Lehrer des Glaubens" nennt ihn Kardinal Karl Lehmann. Viele seiner Ansprachen und Vorträge wurden zu Vorlesungen - mit intellektueller Tiefe und geschliffenen Worten. Seine Generalaudienzen nutzte er für Kurzvorlesungen etwa über die Kirchenväter oder berühmte Heilige.

Der Gottvergessenheit entgegentreten

Benedikt XVI. ging es vor allem darum, der Gottvergessenheit der modernen Welt entgegenzutreten, ihr die Schönheit des Glaubens zu vermitteln. Dafür gründete er einen päpstlichen Rat zur Neuevangelisierung und rief ein "Jahr des Glaubens" aus. Das Ende dieses Jahres wird er als Papst im Ruhestand erleben.

Das Priesterjahr 2009/2010 ging dagegen völlig unter in den Schlagzeilen und Enthüllungen im kirchlichen Missbrauchsskandal. Doch anders, als oft behauptet, blieb Benedikt XVI. nicht untätig im Kampf gegen den Missbrauch: Er verschärfte die kirchlichen Regeln und rief die Bischöfe zum Durchgreifen auf. Auf seinen Auslandsreisen traf er sich mehrfach mit Missbrauchsopfern, setzte sich dem Leid und den Vorwürfen aus.

Zu den Überraschungen seines Pontifikates gehören aber auch hausgemachte Pannen: Nach seinem ersten Deutschlandbesuch gerieten Muslime wegen der Regensburger Rede in Rage, sahen den Islam verunglimpft. Bei einer danach folgenden Reise in die Türkei gelang es Benedikt, die Gräben wieder zuzuschütten.

Hausgemachte Pannen

Die eigentlich als versöhnende Geste gemeinte Rücknahme der Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft geriet zum Desaster weil unter den vier Traditionalistenbischöfen ein Holocaust-Leugner war. Benedikt sah sich mit Vorwürfen konfrontiert, die Kirche verabschiede sich von der Aussöhnung mit dem Judentum. Mit viel Diplomatie und einer Reise ins Heilige Land gelang es ihm auch diesmal, die Kritik zu beruhigen. Kritiker werfen ihm dennoch vor, in seinem Bemühen um Einheit dem rechten Flügel der Kirche zu viel Geduld entgegengebracht zu haben.

In jüngster Vergangenheit dürfte vor allem die Vatileaks-Affäre den 85-jährigen erschüttert haben. Mit seiner Rücktrittsankündigung befreit sich Benedikt XVI. von der Bürde eines Amtes, das "alles menschliche Vermögen überschreitet", wie er selbst einmal sagte. Gleichzeitig beginnen die Spekulationen über einen Nachfolger. Britische Wettbüros sind sich sicher: Der nächste Papst kommt aus Afrika. Alles reine Mutmaßungen - Sicherheit gibt es erst, wenn weißer Rauch aufsteigt.
Text: Ulrich Waschki, Tag des Herrn (17.02.2013)
Foto: pa/Stefano Spazi

Dieser Papst bleibt in Erinnerung
Papst gibt sein Amt auf: Stellungnahmen aus der Region

Dresden/Erfurt/Görlitz/Magdeburg. Vertreter der ostdeutschen Bistümer und Bundesländer haben anlässlich seiner am Montag (11. Februar 2013) bekanntgegebenen Rücktrittsabsicht das Wirken von Papst Benedikt XVI. gewürdigt.

Der Erfurter Diözesanadministrator Reinhard Hauke, der von Papst Benedikt XVI. zum Weihbischof ernannt wurde, erinnert in einer Stellungnahme zum Rücktritt des Papstes an seine letzte persönliche Begegnung mit dem Kirchenoberhaupt während des Deutschlandbesuches im September 2011: "Es war beeindruckend zu erleben, wie sich der Heilige Vater auf die Menschen in den verschiedensten Situationen mit Aufmerksamkeit, Gelassenheit und Liebe eingelassen hat." Wer Benedikt XVI. persönlich erleben durfte, wisse um die Scheu dieses Papstes, seine Person in den Mittelpunkt zu stellen. Dieser Haltung entspreche auch seine jetzige Entscheidung: "Es geht ihm nicht um sich selbst. Der Papst möchte vielmehr einen Nachfolger auf dem Stuhl Petri wissen, der den Herausforderungen, vor denen die Kirche in Gegenwart und naher Zukunft steht, besser gewachsen ist, als er selbst zu sein glaubt."

Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige spricht in seiner Erklärung Papst Benedikt seinen Dank dafür aus, "dass er die Leitung unserer Kirche noch in einem Alter übernommen hat, in dem andere schon lange ihren Ruhestand genießen". Als feinsinniger und hochintelligenter Theologe habe er sich mit aller Kraft für die Verkündigung des Evangeliums und den Dienst an der Einheit der Kirche eingesetzt. In der Erklärung heißt es weiter, "manche Anregungen und Entscheidungen haben freilich auch zu gewissen Verunsicherungen geführt". Unvergessen werde aber der unermüdliche Einsatz des Papstes für die Achtung der Menschenrechte, seine Dialogbereitschaft gegenüber anderen Kirchen, Religionen und Weltanschauungen sowie seine konstruktive Auseinandersetzung mit der säkularen Welt bleiben. "Er war kein Machtpolitiker, sondern ein geistlicher Mensch."

"Dieser Papst hat uns eindringlich an Gott erinnert", hebt der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt hervor. "Sein Wort 'Wer glaubt, ist nie allein' berührt mich immer wieder. Es ist wie ein persönliches Bekenntnis seiner persönlichen Gottbeziehung." Damit habe der Papst "den Finger auf die Wunde unserer Zeit gelegt: In einer gottvergessenen Welt wollte er an diesen Gott erinnern." Zum Vermächtnis des Papst gehöre auch, dass er mit großer Liebe und Erfurcht Liturgie gefeiert hat. "Er wusste sich hier besonders vor dem Geheimnis Gottes und hat das der ganzen Kirche vorgelebt."

Für das Bistum Dresden-Meißen erklärte Christoph Pötzsch, der Leiter des Katholischen Büros Sachsen: "Wir nehmen die Entscheidung des Papstes, von seinem Amt zurückzutreten, mit Bedauern und Hochachtung zur Kenntnis. Das Bistum hat großen Respekt vor einer solchen nicht alltäglichen Entscheidung."

Zahlreiche Würdigungen kamen auch von den Vertretern der ostdeutschen Landespolitik. Thüringens Landtagspräsidentin Birgit Diezel (CDU) erinnerte an den Papstbesuch 2011 in Thüringen: Bei diesem Besuch habe der Papst "hunderttausende Menschen begeistert und ein lebendiges Bild von Kirche vermittelt". Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) würdigte Benedikt XVI. als "weltgeschichtlich bedeutende Persönlichkeit". Zusammen mit seinem Amtsvorgänger Johannes Paul II. habe er "zu den gesellschaftlichen Umbrüchen beigetragen, die dem östlichen Europa die Freiheit und den Deutschen auch die Wiedervereinigung gebracht haben".

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) betonte, Papst Benedikt werde in Sachsen in dauerhafter Erinnerung bleiben. Während seiner beeindruckenden Reise im September 2011 durch Deutschland hätten auch viele sächsische Christen den Papst erleben können. Mit Alois Andritzki habe er einen sorbischen Kaplan selig gesprochen, der für seinen Glauben von den Nationalsozialisten ermordet worden sei.
Text: Tag des Herrn (17.02.2013)
Foto: Picture Alliance

Papst-Wahl offenbar schon Anfang März

Rom (dapd). Das Konklave zur Wahl des Nachfolgers von Papst Benedikt XVI. kann früher starten als bisher erwartet. Der scheidende Pontifex erließ wenige Tage vor seinem Rücktritt am Donnerstag ein Schreiben, das die Regeln der Wahl ändert. Mit dem sogenannten Motu Proprio werde es dem Kardinalskollegium ermöglicht, den Beginn vorzuziehen, sagte der Vize-Camerlengo des Papstes, Monsignore Luigi Celata. Ein genaues Datum gebe es noch nicht, sagte Sprecher Federico Lombardi. Wahrscheinlich entscheidet das Kardinalskollegium in den ersten März-Tagen. Allerdings ohne Keith O'Brien - der Brite trat wegen "unangemessenem Verhaltens" gegenüber jungen Priestern zurück.
Leipziger Volkszeitung (26.02.2013)
Foto:

Papst trägt Titel emeritierter Pontifex
Benedikt XVI.

Rom. (dpa). Benedikt XVI. nennt sich nach seinem morgigem Rücktritt "Emeritierter Papst" oder "Römischer emeritierter Pontifex". Das sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi gestern (Dienstag, 26. Februar 2013) in Rom. Man werde sich an Joseph Ratzinger aber weiterhin auch mit der Anrede "Eure Heiligkeit" wenden können, fügte Lombardi hinzu. Es sei Benedikts Entscheidung gewesen: "Er hat gesagt, so möchte ich mich nennen", fügte Lombardi hinzu.

Wie der scheidende Papst künftig angesprochen werden soll, war in Rom immer wieder gefragt worden. "Emeritierter Bischof von Rom" hatte es zuvor auch geheißen. Lombardi sagte außerdem, der 85-jährige Ratzinger werde nach dem 28. Februar den einfachen weißen Talar anziehen.

Der letzte öffentliche Akt des Papstes morgen wird um 17:30 Uhr ein Abschiedsgruß an die Gläubigen der Diözese Albano von der Loggia der Residenz Castel Gandolfo aus sein. Mit dem offiziellen Ende des Pontifikats um 20:00 Uhr stellt auch die Schweizer Garde ihren Dienst für den Papst vor den Toren der Residenz südlich von Rom ein. Die Sicherheit Benedikts ist aber garantiert, die Gendarmerie wird ihren Wachdienst fortsetzen. Die Kardinalsversammlung wird nicht vor nächste Woche zusammenkommen, um die Papst-Wahl im März vorzubereiten.
Text: Leipziger Volkszeitung (27.02.2013)
Foto: dapd

Benedikts letzter Arbeitstag
Abschied mit Handschlag von den Kardinälen, ein Mittagessen mit seinem Sekretär und dann der Flug nach Castel Gandolfo: Der erste deutsche Papst seit fast 500 Jahren geht in Rente / Das Protokoll des letzten Arbeitstages von Benedikt XVI.

Rom. Kurz nach 6:00 Uhr: Nach seiner letzten Nacht als Papst im apostolischen Palast klingelt für Benedikt wie gewohnt der Wecker.

7:00 Uhr: Gemeinsam mit seinen beiden Privatsekretären und den vier Laienschwestern, die seinen Haushalt führen, feiert er in der päpstlichen Privatkapelle des Palastes die Frühmesse. Erst danach ist Zeit für ein karges Frühstück: Milchkaffee, Brot und Marmelade.

8:30 Uhr: Nach einem Blick auf die Presseschau unterzeichnet Benedikt die Ernennungsurkunden für zwei neue Bischöfe in Argentinien und Vietnam. Dann gilt es, ein Beileidstelegramm anlässlich des Todes von Erzbischof von Tours, Kardinal Jean Honoré, zu unterschreiben.

10:50 Uhr: Die letzten Schreibtischarbeiten haben mit der Würdigung des verstorbenen Kardinals am Ende länger als geplant gedauert.

11:00 Uhr: Benedikt betritt die Sala Clementina im apostolischen Palast, wo ihn 70 Kardinäle erwarten. Tosender Applaus brandet ihm entgegen. Ein letztes Mal huldigen die Kardinäle ihrem Oberhaupt. Zunächst spricht ihr Dekan, der frühere Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano, dem Papst den Dank aller Purpurträger aus.

11:10 Uhr: Tief ernst lauscht Benedikt den Worten Sodanos - des Mannes, der während des Streits um die Schwangerenkonfliktberatung in Deutschland Ende der neunziger Jahre als sein Widersacher galt. Nun hört Benedikt dem damaligen Kardinalstaatssekretär mit unbewegtem Gesichtsausdruck zu. Nur der Lidschlag der Augen verrät, dass er nicht erstarrt ist. Anschließend wendet er sich selbst mit einem Wort des Dankes und der Ermutigung an die Kardinäle.

11:30 Uhr: Benedikt spricht die Kardinäle sehr direkt an. "In diesen acht Jahren haben wir auf dem Weg der Kirche sehr schöne Momente strahlenden Lichts und andere erlebt, in denen sich manche Wolke am Himmel zusammenzog." Heute tritt ein altersschwacher Papst mit wachem Geist vor die Kardinäle und fordert sie zur Einheit untereinander auf, wohl eingedenk der bevorstehenden Grabenkämpfe beim Konklave zur Wahl des nächsten Kirchenoberhaupts. Seinem Nachfolger, den sie bald aus ihren eigenen Reihen wählen werden, verspricht er schon jetzt Gebet und Gehorsam. Wenige Stunden später geht die Führung der Kirche in die Hände der Kardinäle über. Von Montag an treffen sie sich täglich unter der Leitung des Kämmerers, Kardinal Tarcisio Bertone, um die wichtigsten Angelegenheiten weiterzuführen und den Termin der Papstwahl zu bestimmen. Bertone wird auch den Fischerring Benedikts heute Morgen mit einem silbernen Hammer zerstören.

11:40 Uhr: Eine Nachricht von er anderen Seite des Globus' macht die Runde. Der Erzbischof von Sydney kritisiert den Papstrücktritt. Kardinal George Pell nennt die Entscheidung des Papstes destabilisierend. Pell werden im Konklave kaum Chancen eingeräumt. Die sechs deutschen Kardinäle haben sich nach eigenem Bekunden nicht auf einen Kandidaten festgelegt.

11:50 Uhr: Nach seiner Ansprache nimmt Benedikt die Glückwünsche eines jeden Kardinals einzeln entgegen, lässt sich den Fischerring als Zeichen der Papstwürde küssen und legt manchem noch einmal freundlich den Arm auf die Schulter.

13:00 Uhr: Nach dem Abschied von den Kardinälen ist es nur noch wenig Zeit bis zum kargen Mittagessen im Kreis der päpstlichen Familie.

Kurz vor 17:00 Uhr: Es folgt die Verabschiedung der Spitzen des vatikanischen Staatssekretariats im Damasus-Hof des apostolischen Palastes, dann geht es mit dem Wagen zum Hubschrauberlandeplatz im Vatikan. Von dort wird Benedikt in die päpstliche Sommerresidenz in Castel Gandolfo geflogen. In den Ferien spielte Benedikt hier gern Bach und Mozart auf dem Klavier.

17:30 Uhr: Benedikt steigt auf die Loggia der Residenz. Mehrere tausend Bewohner und Anhänger begrüßen ihn mit brennenden Fackeln. Dann sagt er: "Ich bin glücklich hier mit euch zu sein. Eure Zuneigung tut mir sehr gut. Ihr wisst, dass dieser Tag heute anders ist als die anderen Tagen. Ab acht Uhr bin ich nur noch ein Pilger." Benedikts letzte Worte als Papst sind: "Gute Nacht und vielen Dank."

20:00 Uhr: Das schwere Hauptportal der Papstresidenz in Castel Gandolfo wird geschlossen. Die Schweizergarde zieht ihren Posten ab, das ist das äußere Zeichen für das Ende des Pontifikats.

Kommentar: Tschüss!
von Olaf Majer

Wir sind Papst - gewesen. Seit gestern acht Uhr abends sind wir wieder Fußvolk, gemeinsam mit dem deutschen Staatsbürger Joseph Ratzinger, derzeitiger Wohnort Castel Gandolfo, Italien. Das passt dann wieder zu uns und unserer Geschichte: Mit einem bescheidenen Rücktritt kommen wir gedanklich weitaus besser zurecht als mit dem päpstlichen Unfehlbarkeitsanspruch. Und Niederlagen gegen Italien sind zumindest deutschen Fußballern bestens vertraut.

Mit Johannes Paul II. verbinden viele das lange Sterben unter aller Augen. Benedikt XVI. steht für das öffentliche Scheitern. Das ist nicht schlimm, es erdet den Stellvertreter Christi. Und doch hat ausgerechnet dieser so strenge Nachfolger Petri das Petrusamt revolutioniert: Nach seinem Rücktritt gibt es für jeden Pontifex die Brücke zurück ins einfache Leben. Das beraubt dem Amt den sakralen Glanz. Aber die Kirche gewinnt Mitmenschlichkeit zurück.

Ab jetzt also: Pontifex emeritus, Rentner Ratzinger. Dem Mann, dem oft einfache Worte schwer fielen, gelingt ein Abgang in schlichter Würde. Ciao Benedetto, Tschüss Papst!

Stimmen:

Dietrich Oettler (38), Pfarrer der katholischen Gemeinde St. Joseph Borna: "Benedikt XVI. hat in einer Zeit großer Verunsicherung ein Gegengewicht gesetzt - etwa gegenüber Zeichen aus der morgenländischen Welt, die gewalttätig daherkommt, es aber keineswegs ist. Benedikt hat mit seiner Regensburger Rede einen klaren Standpunkt bezogen."
Text: Bettina Gabbe, Leipziger Volkszeitung (01.03.2013)
Fotos: AFP & dpa

Wahl des neuen Papstes beginnt am Dienstag
Konklave-Termin

Rom (dpa). Die mit Spannung erwartete Wahl des Nachfolgers von Papst Benedikt XVI. beginnt am kommenden Dienstag. Das haben die in Rom versammelten Kardinäle gestern (Freitag, 8. März 2013) entschieden, wie der Vatikan mitteilte. Die Purpurträger bestimmten den Konklave-Beginn nach einem fünftägigen Meinungsaustausch über die Lage der katholischen Weltkirche, ihre Krisen und die Anforderungen der Zukunft. An der Wahl des Nachfolgers von Benedikt XVI. nehmen 115 Kardinäle teil. Benedikt war am 28. Februar wegen nachlassender Kräfte abgetreten.

Am Dienstagvormittag werden die Kardinäle zunächst eine Messe im Petersdom feiern, nachmittags beginnen sie das Konklave in der Sixtinischen Kapelle, teilte der Vatikan weiter mit. Wie lange das Konklave dauern wird, hängt von der Zahl der erforderlichen Wahlgänge ab. Der Papst muss mit Zweidrittel-Mehrheit gewählt werden. Das Quorum liegt damit bei 77 Purpurträgern.
Text: Leipziger Volkszeitung (09.03.2013)
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Bis der weiße Rauch aufsteigt
In Rom bereiten sich die Kardinäle auf die Wahl des neuen Papstes vor

Rom. Es ist die wohl geheimnisvollste Wahlversammlung unserer Zeit: Hinter verschlossenen Türen in der Sixtinischen Kapelle wählen bald 115 Kardinäle den neuen Papst. Wie das Wahlverfahren läuft, ist geregelt - bis in manch kurioses Detail hinein. Andere Dinge bleiben mysteriös.

In Rom sind Wahlplakate für Kardinal Peter Turkson aufgetaucht. Doch der Ghanaer hat damit nichts zu tun: Eine Künstlergruppe hat sich einen Scherz erlaubt. Einen Wahlkampf für einen Papstkandidaten gibt es nämlich nicht.

Dennoch sprechen die Kardinäle aus aller Welt natürlich über Personen. Bis zum Beginn des Konklaves treffen sie sich täglich zu einer Aussprache über die Lage der Kirche. Dabei können sie sich kennenlernen, Kandidaten beobachten. Über Namen wird in diesen Sitzungen nicht gesprochen. Das geschieht in Sitzungspausen, beim Essen, bei vertraulichen Treffen - zu zweit oder in kleinen Gruppen. Wem traut man zu, die Kirche zu leiten?

Solche Gespräche laufen sehr diskret ab, sagt Kardinal Joachim Meisner. Deswegen sind öffentliche Spekulationen über Kandidaten und Mehrheiten eben genau das - Spekulation. Das Kardinalskollegium sei kein "Sammelsurium von Fraktionen und Parteien", sagt Kardinal Karl Lehmann.

Die Wahl selbst gleicht eher einer Liturgie als einer Parlamentsabstimmung. Es gibt keine Vorschlagsliste. Jeder Kardinal schreibt einen Namen auf einen Stimmzettel. "Möglichst in verstellter, aber deutlicher Schrift", heißt es im Regelwerk. Die Kardinäle können jeden männlichen, ledigen Katholiken auf den Zettel schreiben. Theoretisch jedenfalls.

Einzeln treten sie dann an den Altar der Sixtinischen Kapelle und legen den Wahlzettel in die Urne. Im Angesicht von Michelangelos "Jüngstem Gericht" sagen sie: "Ich rufe Christus, der mein Richter sein wird, zum Zeugen an, dass ich den gewählt habe, von dem ich glaube, dass er nach Gottes Willen gewählt werden sollte."

Zugang nur für Beichtväter, Ärzte und Hauspersonal

Bis zu vier Wahlgänge pro Tag sind vorgesehen. Solange bis ein Kandidat die Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht hat. Seit 1831 hat das nie länger als vier Tage gedauert.

In dieser Zeit ist der Vatikan Sperrgebiet: Die Kardinäle dürfen sich hier aufhalten, ein paar Wahlhelfer, Ordensleute als Beichtväter, zwei Notärzte sowie Hauswirtschaftspersonal. Braucht ein kranker Kardinal, wie etwa der koptische Patriarch Naguib, einen Pfleger, darf auch dieser mit.

Bei der Wahl in der Sixtina sind die Kardinäle unter sich: Helfer teilen die Wahlzettel aus und müssen dann hinaus. Auch für die Zettel gibt es Vorschriften: Rechteckig, und so groß, um sie zweimal zu falten. Außerdem soll der Satz "Eligo in Summum Pontificem" - lateinisch für: "Ich wähle zum obersten Priester" - vorgedruckt sein. Durch das Wort "Eligo" sticht der Kardinal nach der Auszählung der Stimmen eine Nadel, um die Wahlzettel auf einer Schnur aufzureihen. So werden sie verbrannt. Spätestens nach zwei Wahlgängen. Der Rauch des Feuers ist das einzige Zeichen, mit dem die Außenwelt über den Stand der Wahl informiert wird.
Text: Ulrich Waschki, Tag des Herrn (10.03.2013)
Foto: unbekannt

Kardinäle führen letzte Gespräche vor Konklave

Vatikanstadt (AFP). Zum letzten Mal vor dem Konklave haben sich gestern (Montag, 11. März 2013) im Vatikan die wahlberechtigten Kardinäle getroffen, um über Herausforderungen und mögliche Kandidaten für das Papstamt zu diskutieren. Danach gönnten sie sich einen freien Nachmittag zur Vorbereitung auf die heute beginnende Papstwahl. Als Favoriten gelten unter anderem der Mailänder Erzbischof Angelo Scola und sein Amtskollege aus São Paulo, Odilo Scherer.

Die Zusammenkunft der Kardinäle war die zehnte und letzte Sitzung zur Vorbereitung des Konklave. Heute Nachmittag treffen sich die 115 Würdenträger wieder - dann werden sie in der Sixtinischen Kapelle einen ersten Wahlgang abhalten.
Text: Leipziger Volkszeitung (12.03.2013)
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Petersdom in Purpurrot: 115 Kardinäle beginnen mit Papstwahl

Rom. Der Wahlkrimi beginnt: In Rom wird seit gestern (Dienstag, 12. März 2013) der 266. Nachfolger Petri gesucht. Zum Auftakt des ersten Konklave-Tages kamen am Morgen Kardinäle, Priester und Touristen aus aller Welt zu einer feierlichen Messe im Petersdom zusammen. Am Nachmittag zogen die 115 wahlberechtigten Purpurträger in die Sixtinische Kapelle ein. Um 17:30 Uhr wurden die Türen zum Konklave geschlossen. Bei der ersten Abstimmung wurde noch kein Papst gewählt. Heute folgen bis zu vier weitere Wahlgänge. Als Favoriten gelten die Kardinäle Angelo Scola (Italien) und Odilo Scherer (Brasilien), als Kompromiss-Kandidaten werden Seán O'Malley (USA) und Leonardo Sandri (Argentinien) genannt.
Text: Leipziger Volkszeitung (13.03.2013)
Foto: dpa

Papst-Wahl hat begonnen
Vatikan

Rom (epd). Im Vatikan hat gestern (Dienstag, 12. März 2013) die Wahl des neuen Papstes begonnen. Der erste Wahlgang endete dabei erwartungsgemäß ergebnislos - am Abend stieg schwarzer Rauch über der Sixtinischen Kapelle auf, als Zeichen dafür, dass noch kein neuer Pontifex gefunden wurde. Die erste Abstimmung galt allerdings ohnehin nur als Testwahl. Zuvor waren die 115 wahlberechtigten Kardinäle in die Sixtinische Kapelle eingezogen. Danach forderte Zeremonienmeister Guido Marini alle nicht an der Wahl beteiligten Personen mit den lateinischen Worten "extra omnes" auf, den Raum zu verlassen. Es folgte der Einschluss im sogenannten Konklave. Abgeschirmt von der Außenwelt sollen die Kardinäle den Nachfolger von Benedikt XVI. bestimmen. Nötig sind dazu zwei Drittel der Stimmen.

Ab heute wollen die Kardinäle vormittags und nachmittags zu jeweils zwei Wahlgängen zusammenkommen. Mittags und abends werden dann die Stimmzettel verbrannt, so dass Rauch aufsteigt und die Pilger auf dem Petersplatz informiert werden. Die unterschiedliche Farbe wird mittels Zugabe einer Chemikalie erzeugt. Weißer Rauch signalisiert dabei die Wahl eines neuen Papstes.
Text: Leipziger Volkszeitung (13.03.2013)
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Viva il Papa: Ein Argentinier!
Mit Franziskus I. kommt erstmals seit über 1.000 Jahren der Papst nicht aus Europa

Rom. (dpa/dapd/AFP/epd). Premiere bei der Papstwahl: Zum ersten Mal seit über 1.250 Jahren kommt das Oberhaupt der Katholischen Kirche nicht aus Europa: Der 76-jährige Argentinier Jorge Mario Bergoglio wird Nachfolger von Benedikt XVI. Der neue Papst wählte den Namen Franziskus. Der 76-jährige war bislang Erzbischof von Buenos Aires.

Um 19:05 Uhr war als Zeichen einer erfolgten Wahl weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle im Vatikan aufgestiegen. Die Glocken des Petersdoms läuteten, Gläubige und Pilger schwenkten Fahnen und riefen "Viva il Papa", es lebe der Papst. Tausende hatten bei Regenwetter ausgeharrt.

Mit der traditionellen Formel "Habemus Papam" verkündete Kardinalprotodiakon Jean-Louis Tauran die Wahl des Konklave. Das Konklave hatte erst am späten Dienstagnachmittag begonnen und gehörte zu den kürzesten in der Kirchengeschichte. Die 115 wahlberechtigten Kardinäle benötigten fünf Wahlgänge, um sich auf einen Nachfolger für Benedikt XVI. zu einigen. Der 85-jährige Deutsche war nach knapp achtjähriger Amtszeit am 28. Februar zurückgetreten. Es war der erste freiwillige Amtsverzicht eines Papstes seit mehr als 700 Jahren.

Der künftige Papst hat italienische Wurzeln und in Deutschland studiert. Er vertritt äußerst konservative Auffassungen, zugleich pflegt der Jesuit einen schlichten Lebensstil und ist ein scharfer Kritiker sozialer Ungerechtigkeiten.

Schon beim Konklave im Jahr 2005, aus dem Benedikt XVI. als Papst hervorging, soll der Erzbischof von Buenos Aires der schärfste Konkurrent von Joseph Ratzinger gewesen sein. Erst im vierten Wahlgang setzte der konservative Flügel der Purpurträger damals den damaligen Präfekten der Glaubenskongregation und deutschen Kurienkardinal gegen den als progressiv geltenden Lateinamerikaner durch.

Franziskus I. ist nach offizieller Zählung der 266. Papst der katholischen Kirchengeschichte, steht an der Spitze von rund 1,2 Milliarden römisch-katholischen Christen.
Text: Leipziger Volkszeitung (14.03.2013)
Foto: dpa

Ein Außenseiter auf dem Stuhl Petri
76-jähriger Erzbischof von Buenos Aires wird Franziskus I. / Große Hoffnungen auf Reformen

Rom. Der fünfte Wahlgang brachte die Entscheidung: Erst stieg kurz nach 19:00 Uhr weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle in den Nachthimmel. Eine Stunde später wurde die Neuwahl des Kirchenoberhaupts vom Balkon des Petersdoms in Rom verkündet. Kardinalprotodiakon Jean-Louis Tauran teilte das Ergebnis des Konklaves mit den traditionellen lateinischen Worten "Habemus Papam" (Wir haben einen Papst) mit.

Auf dem Petersplatz brach Jubel wie in einem Fußballstadion aus, ein Aufschrei ging durch die im Regen wartende Menge: Der 266. Papst ist gekürt. Die Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle brauchten fünf Wahlgänge, um denjenigen zu finden, der die katholische Weltkirche der 1,2 Milliarden Gläubigen aus ihren Krisen führen soll - auch in die Moderne des 21. Jahrhunderts, hoffen viele.

Den argentinischen Nachfolger des abgetretenen Benedikt XVI. empfingen die Begeisterung der Massen, geschwenkte Nationalfahnen und die überall in Italien läutenden Glocken. Er gilt als volksnah und schlicht, als resoluter Kämpfer gegen Armut und Korruption. Vor Jorge Mario Bergoglio, dem Jesuiten und Erzbischof aus Buenos Aires, liegt ein ganzer Berg von Problemen, seine katholische Kirche hat eine Reihe Baustellen.

"Gott hat schon entschieden", hatte der kanadische Kardinal Marc Ouellet vor dem Einzug in das Konklave noch gesagt. Den Kardinälen musste also nur noch bewusst werden, wer aus ihrer Runde ausgewählt ist. Dafür brauchten sie fünf Wahlgänge, eine nicht allzu große und eher "normale" Anzahl von Urnengängen. Das Konklave vor acht Jahren, das Joseph Ratzinger zum Papst kürte, schaffte es in vier Wahlgängen. Manche Kardinäle und Vatikan-Kenner hatten den gestrigen Tag als Tag des weißen Rauches im Auge. Bei einem längeren Konklave hätte es wegen der stattlichen Reihe von Kandidaten eine Überraschung geben können.

Der Brasilianer Odilo Pedro Scherer und der Italiener Angelo Scola waren tagelang die Spitzenreiter der Spekulierer über den neuen Papst gewesen. Bergoglio tauchte immer dann schon auf, wenn viele Favoriten oder Außenseiter mit Chancen vorgestellt wurden. Ein Süd- oder Nordamerikaner oder aber ein Italiener, zwischen diesen sollte die Entscheidung hinter verschlossenen Türen fallen, hieß es. Lange waren US-Kandidaten die Favoriten, doch ein "Yankee"-Papst der Weltmacht USA wie Timothy Dolan galt vielen doch als zu heikel für die Kirche.

Benedikts Pontifikat war eines auch der tiefen Krisen, eines von Kritikern beklagten Reformstaus und der bürokratischen Pannen in Rom. Auf den 266. Pontifex wartet nach dem Rücktritt des Deutschen viel Arbeit, wobei er die Interessen der Gläubigen aller Kontinente im Auge behalten muss. Mehr Transparenz, mehr Kommunikation am Heiligen Stuhle selbst wie auch zwischen Rom und den Bischöfen in aller Welt - das sind Kurienreformen, die von den Purpurträgern in den Tagen vor dem Konklave als erforderlich in die Debatte gebracht worden sind.

So äußerten sich manche unzufrieden, weil über die schwerwiegende "Vatileaks"-Affäre um Dokumentenklau, Intrigen und Korruption hinter den Vatikanmauern doch nicht ausreichend diskutiert worden sei.

Das alles muss der erste Papst aus Lateinamerika unter einen Hut zu bekommen versuchen: Fortschritte in der Ökumene, Lockerungen der Sexualmoral, eine stärkere Rolle der Frauen in der Kirche und die Zölibatsfrage bei den katholischen Priestern. Das sind einige der "europäischen" Anliegen an den Nachfolger Benedikts.

Zur Person: Jorge Mario Bergoglio

Mit Jorge Mario Bergoglio kommt zum ersten Mal ein Papst aus Lateinamerika. Bereits beim letzten Konklave 2005 war der argentinische Jesuit der stärkste Kontrahent Joseph Ratzingers gewesen. Mit 76 Jahren und seiner etwas gebrechlichen Gesundheit ging er in die neue Papstwahl, aber eher als Außenseiter.

Der Erzbischof von Buenos Aires steht der äußerst konservativen katholischen Vereinigung Communione e Liberazione nahe. Zugleich geißelt er jedoch stets mit klaren Worten soziale Ungerechtigkeit. Oft wird er deshalb "Kardinal der Armen" genannt. Er bevorzugt zudem ein unauffälliges Auftreten in der Öffentlichkeit. Auch im Vatikan ist er lieber im dunkeln Mantel und ohne Kardinalshut unterwegs. In seiner Heimat kollidierte Bergoglio zuletzt mehrfach mit den Regierungen von Néstor und Cristina Kirchner. So wandte er sich erfolglos gegen die Legalisierung der Homo-Ehe in Argentinien.

Bergoglio wurde am 17. Dezember 1936 als Sohn italienischer Einwanderer geboren. Sein Vater war Bahnangestellter. In Buenos Aires ging Bergoglio auf eine technische Schule, die er als Chemie-Techniker absolvierte. Mit 21 Jahren ging er ins Priester-Seminar. Nach seiner Priesterweihe 1969 verfolgte er Theologiestudien und wurde 1973 zum Provinzial des Jesuitenordens berufen. Während der Militärdiktatur in Argentinien führte Bergoglio mit Strenge seine Ordensbrüder in strikt religiöse Aufgaben zurück und kritisierte die Befreiungstheologie. 1998 übernahm er die Erzdiözese von Buenos Aires und wurde 2001 zum Kardinal berufen.

Kommentar: Sensation - aber keine Revolution in Rom
von Olaf Majer

Ausgerechnet Jorge Mario Bergoglio, der schärfste "Konkurrent" von Joseph Ratzinger bei dessen Wahl 2005. Eine Papstwahl am 13.03.2013. Und eine Möwe, die minutenlang vor dem entscheidenden fünften Wahlgang auf dem Schornstein der Sixtina verharrte. Mehr Symbolik geht nicht. Der erste Lateinamerikaner als Pontifex, der erste Franziskus auf dem Stuhl Petri. Ist das schon Revolution in Rom?

Eine Sensations-Wahl ist es gewiss. Es zeigt zunächst, dass sich im Konklave Reformer und Konservative so geschlossen gegenüber standen, dass der Weg für einen Überraschungskandidaten, den vorsichtigen Reformer aus Argentinien frei wurde. Doch die Freude, dass zumindest Ratzingers unglückseliger Regierungschef Kardinal Bertone verhindert wurde, kann den Blick nicht trüben, dass auch dieser Papst nicht übers Wasser gehen kann. Der Problemberg ist genauso hoch, wie beim Arbeitsbeginn des Weinbergarbeiters Benedikt. Er ist sogar noch um die Vatileaks-Affäre, den sexuellen Priester-Verfehlungen oder der erodierenden Vatikanbank gewachsen. Ein 76-jähriger soll dies nun alles angehen. Bergoglios Bonmots, die Kardinäle hätten erst am Ende der Welt den neuen Bischof von Rom gefunden, ist ein bitterer Scherz. Habemus Papam, ja. Aber das Warten auf das Osterlicht für eine Kirche der Zukunft geht weiter.
Text: Hanns-Jochen Kaffsack, Leipziger Volkszeitung (14.03.2013)
Fotos: AFP & dpa

Neuer Papst Franziskus feiert erste Messe

Rom (dpa/AFP). Der neue Papst Franziskus hat am Tag nach seiner Wahl seine erste Messe im Vatikan gefeiert. Er kam gestern (Donnerstag, 14. März 2013) in der Sixtinischen Kapelle mit den 114 wahlberechtigten Kardinälen zusammen, die dort mit ihm an dem Konklave teilgenommen hatten. Der Gottesdienst "Per la Chiesa" beendet offiziell das Konklave. Die Kardinäle hatten am Vortag den Argentinier zum neuen Papst gewählt.

Kritiker veröffentlichten gestern in sozialen Netzwerken alte Fotos, die Jorge Mario Bergoglio - wie der neue Papst als Kardinal hieß - neben dem Chef der argentinischen Militärdiktatur (1976 - 1983), Jorge Rafael Videla, zeigen. Franziskus wird vorgeworfen, Ordensbrüdern damals nicht ausreichend Rückendeckung gegeben zu haben. Der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff sieht dagegen keine Grundlage für eine angebliche Nähe des neuen Papstes zur früheren argentinischen Diktatur.
Text: Leipziger Volkszeitung (15.03.2013)
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"Franziskus I. rückt die Armen ins Blickfeld"
Papstwahl begrüßt

Borna (nn). Der Pfarrer der katholischen Gemeinde Borna, Dietrich Oettler, hat die Wahl des 76-jährigen Argentiniers Jorge Mario Bergolio zum neuen Papst begrüßt. Die Namenswahl des neuen Kirchenoberhauptes, der sich nach dem Ordensgründer Franz von Assisi Franziskus I. nennt, sei durchaus programmatisch zu verstehen. Oettler betonte, Franziskus I. werde ebenso wie sein Vorgänger, Benedikt XVI., "die Armen und Bedürftigen ins Blickfeld rücken" - ganz im Sinne des Franz von Assisi, der für eine Erneuerung der Kirche gesorgt habe. Mit jeder Papstwahl verlagere sich der Schwerpunkt. Der Geistliche weiter: "Es wird spannend." Er freue sich.

Der evangelische Superintendent Matthias Weismann erklärte, in Sachen Ökumene gebe es für den neuen Pontifex maximus sehr viel zu tun. Weismann betonte, dass es um die "freiwillige Ökumene" nicht sehr gut bestellt sei. "Was die Notökumene anbelangt, sind wir da natürlich weiter", womit Weismann die Zusammenarbeit über Konfessionsgrenzen hinweg vor Ort in einer Diaspora-Situation meint. Mit Blick auf das Engagement des neuen Papstes für die Armen sagt Weismann, "dass er sich offenkundig den wirklichen Herausforderungen der Welt stellt".
Text: Leipziger Volkszeitung (15.03.2013)
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Der Papst der Armen
Franziskus tritt feierlich sein Amt an / Hoffnungen auf frischen Wind im Vatikan

Rom. Der "Papst der Armen", wie der Argentinier Jorge Mario Bergoglio in Rom bereits genannt wird, trifft die Mächtigen. Sie sind aus aller Welt zu seiner feierlichen Amtseinführung (Dienstag, 19. März 2013) geströmt. Zuerst wendet sich Franziskus aber dem Volk, seinem Volk zu. Er dreht mit seinem päpstlichen Jeep Runden auf dem Petersplatz. Franziskus küsst kleine Kinder, die ihm hingehalten werden, grüßt nach links und nach rechts, hebt den Daumen. Alles okay, bedeutet der neue Mann auf dem Stuhl Petri der jubelnden Menge. Er predigt zwar Demut, liebt aber auch das Bad in der Menge. Und die Menge der Gläubigen liebt ihn.

Kein Zweifel: Franziskus sorgt für frischen Wind in Rom. Er begrüßt einfache Kirchgänger persönlich, er fordert Barmherzigkeit, etwas mehr Wärme in der Welt. Er will eine arme Kirche und eine Kirche für die Armen. Und er will helfen, das ganze Volk Gottes, die gesamte Menschheit mit Liebe und Zärtlichkeit zu umarmen, "besonders die Ärmsten, die Schwächsten, die Geringsten." Sagt Franziskus in der Predigt, und er sagt es auch den angereisten "Verantwortungsträgern".

Auch bei der Wahl seiner Insignien setzt er Zeichen: Sein Fischerring ist nicht aus purem Gold, sondern nur vergoldetes Silber, sein Pallium, eine Art Schal, ist "gebraucht", stammt von Vorgänger Benedikt XVI. Einfach ist selbst die Blumendekoration gehalten, die bei dieser "Krönungsmesse" den Altar vor dem Petersplatz schmückt. Alle Zeichen der Schlichtheit begleiten diese Charme-Offensive des 76-jährigen aus Buenos Aires, auch die Messe ist einfacher gehalten.

Wie ein Zeichen des Himmels strahlt an diesem Hochfest des heiligen Josef, der auch der Namenstag des Joseph Ratzinger ist, die Sonne im blauen Himmel der Ewigen Stadt. Sie hatte sich zuletzt rargemacht.

Franziskus beflügelt Hoffnungen auf ein besseres Miteinander der Menschen und Religionen. Lange kniet er am Grab des ersten "Papstes" Petrus in der Krypta des Petersdoms und betet. Dann schreitet der lächelnde Papst, wie ihn die Italiener nennen, mit ernstem Gesicht in einer Prozession Richtung Petersplatz. Dort erhält Franziskus seinen Fischerring und das Pallium. Es scheint, als gehe alles doch weniger pompös. In seiner Predigt sagt der unkonventionelle Pontifex, dass er sich als Diener versteht: "Nur wer mit Liebe dient, weiß zu behüten."

Seine erste große Predigt vor den Gläubigen ist ein soziales Programm. Es zielt darauf, den Ärmsten, den Hungernden, den Fremden und den Gefangenen zu helfen. Franziskus will mit Macht dienen, auch der Umwelt. Er plädiert dafür, dass jeder Verantwortung übernimmt und Hoffnung ausstrahlt - gegen all jene, die Tod, Gewalt und Zerstörung über die bedrohte Welt bringen wollen: "Erinnern wir uns daran, dass Hass, Neid und Hochmut das Leben verunreinigen." Vorgänger Benedikt war ein Bewahrer seiner Kirche, Franziskus will ein Behüter sein.

Auf den schmalen Argentinier warten Herkulesaufgaben. Die römische Kurie, über den "Vatileaks"-Skandal um Verrat und Machenschaften im Vatikan ins Gerede gekommen, muss gründlich reformiert werden. "Ich habe einen heiteren Papst angetroffen, der klare Vorstellungen hat", sagt Argentiniens Staatspräsidentin Cristina Fernández de Kirchner nach einem Treffen mit ihrem Landsmann. "Aber er war auch bewegt und besorgt wegen der immensen Aufgabe, den Heiligen Stuhl zu führen, und die Dinge zu ändern, die er ändern muss."

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, warnt, der neue Papst brauche Zeit und könne nicht alle Erwartungen auf einmal erfüllen.

"Betet für mich. Amen." So schließt Franziskus seine Predigt - und wendet sich dabei auch an seine Landsleute im fernen Argentinien, die sich zu einer Wache für "ihren Papst" versammelt haben. Dann twittert er noch die Kurzfassung seiner Predigt: "Bewahren wir die Schöpfung."
Text: Jutta Lauterbach & Hanns-Jochen Kaffsack, Leipziger Volkszeitung (20.03.2013)
Foto: dpa

"Betet für mich"
Demütig, bescheiden, herzlich: Papst Franziskus begeistert Welt und Kirche

Rom. Papst Franziskus ist gerade einmal eine Woche im Amt. Dennoch hat er in dieser kurzen Zeit schon beeindruckend viele Zeichen gesetzt.

Schon beim ersten Auftritt auf dem Balkon des Petersplatzes: Die Einladung zum Gebet für seinen Vorgänger. Dann die Bitte um ein Gebet in Stille für ihn selbst. Der Name: Franziskus. Das gab es noch nie. Zu groß erschien den Vorgängern der populäre Heilige: In seiner radikalen Christus-Nachfolge war Franz von Assisi alles andere als ein Kuschelheiliger. Er warf seinem Vater die Kleidung vor die Füße, legte sich mit Papst und kirchlichem Establishment an, überforderte seine Mitbrüder mit seinen hohen Ansprüchen. Franziskus - nicht nur ein Bekenntnis zu Demut und Bescheidenheit, sondern gleichzeitig ein Zeugnis eines großen Selbstbewusstseins. Papst Franziskus hat die Latte für sich selbst sehr hoch gelegt.

Dabei ist nicht nur der Name des neuen Papstes eine Überraschung. Obwohl Jorge Mario Bergoglio, der Erzbischof von Buenos Aires, im letzten Konklave nach Joseph Ratzinger der Kandidat mit den meisten Stimmen gewesen sein soll, hatte ihn diesmal kaum noch jemand auf der Rechnung. Auch die Kardinäle nicht. Das sei wie so oft im Leben: "Man hatte Pläne und dann kommt es ganz anders", sagte Kardinal Joachim Meisner. Trotzdem war das Konklave beeindruckend schnell: Nur fünf Wahlgänge brauchten die Kardinäle für die Wahl. Eine Abstimmung und eine gute Stunde mehr als 2005. Es sei "kein Spitz-auf-Knopf-Entscheid" gewesen, sagte Kardinal Rainer Maria Woelki.

"Ach, wie möchte ich eine arme Kirche für die Armen"

Und nun begeistert Papst Franziskus - der selber bislang immer nur vom "Bischof von Rom" und nicht vom Papst sprach - die Menschen. Er predigt kurz und frei, verzichtet auf Herrschaftsgesten und -symbole, wenn er etwa das Gehorsamsversprechen der Kardinäle nicht auf dem Papstthron sitzend, sondern auf Augenhöhe stehend entgegennimmt. Schon wirkt er für viele wie das Gegenbild seines Vorgängers. Im persönlichen Auftritt unterscheiden sich Benedikt XVI. und Franziskus voneinander. Benedikt war in der persönlichen Begegnung fast schüchtern, Franziskus wirkt herzlich, kontaktfreudig, wenn er einfachen Gläubigen die Hände schüttelt oder sich umarmen lässt.

Benedikt entzog sich den vatikanischen Traditionen nicht. Er trug die roten Schuhe, den pelzbesetzten roten Schulterumhang, er nutzte die Staatskarosse. Man darf getrost davon ausgehen, dass auch Benedikt XVI. all diese Dinge herzlich egal waren, betrachtet man seinen persönlichen, fast bedürfnislosen Lebensstil.

Franziskus verzichtet bewusst auf diese Symbole. Eine starke Geste. Ein Gegenpol zu Benedikt XVI. ist er aber nicht. Ein Blick in seine ersten Predigten und Ansprachen genügt: "Christus ist die Mitte (der Kirche), nicht der Nachfolger Petri." Und: "Ach, wie möchte ich eine arme Kirche für die Armen." Es scheint, als setzte Franziskus hier die Entweltlichungspredigt, die Papst Benedikt in Freiburg gehalten hat, fort: Es geht nicht um die Kirche als Institution, nicht um Macht und Privilegien, sondern um Christus. Ihn zu verkünden, ist Aufgabe der Kirche.

Mit der Forderung nach einer armen Kirche kann der so demütig und herzlich auftretende Papst noch ganz schön unbequem für die reichen Kirchen der sogenannten ersten Welt werden. Bei seiner Amtseinführung blieb er bescheiden: Wieder schwarze Schuhe, wieder eine eher schlichte Mitra. Und am Ende der Predigt die einfache Bitte: "Betet für mich!"

Die Barmherzigkeit Jesu betonte Franziskus bei seinem ersten Angelus-Gebet. Jesus verurteilte nicht, sondern habe nur "Worte der Liebe und der Barmherzigkeit". Barmherzigkeit, die es aber nicht zum Nulltarif gibt, wie manche Zeitgenossen wünschen: Gott "wird nicht müde, uns zu vergeben, wenn wir es verstehen, zu ihm zurückzukehren mit einem reuigen Herzen". Der Mensch muss selbst etwas tun - Reue zeigen und um Vergebung bitten. Auf die nächsten Zeichen des Papstes darf man gespannt sein. Ebenso auf die Veränderungen im Vatikan, die sicher kommen werden. Zwar hat Franziskus alle führenden Köpfe der Kurie in ihren Ämtern bestätigt. Aber nur provisorisch. Mit Franziskus weht ein neuer Wind im Kirchenstaat.
Text: Ulrich Waschki, Tag des Herrn (24.03.2013)
Foto: dpa

Freude, Überraschung und Erwartungen
Ostdeutsche Kirchenvertreter zur Wahl von Papst Franziskus

Dresden/Erfurt/Görlitz/Magdeburg (tdh/epd). Mit Freude und Dankbarkeit, aber auch mit Überraschung haben Kirchenvertreter in Ostdeutschland auf die Wahl von Papst Franziskus reagiert.

"Kardinal Jorge Mario Bergoglio hat sich bei seinem ersten Auftritt ruhig und bescheiden, fromm und freundlich präsentiert", heißt es in der Stellungnahme des Bistums Dresden-Meißen. Diözesanadministrator Michael Bautz bringt darin auch seine Hoffnung zum Ausdruck, dass der bisherige Erzbischof von Buenos Aires "sicher ein glaubwürdiger, überzeugender Vertreter der katholischen Kirche und ein guter Vater für alle Gläubigen sein" werde.

In der Stellungnahme des Diözesanadministrators des Bistums Erfurt, Weihbischof Reinhard Hauke, heißt es, die Herkunft des ersten Nichteuropäers auf dem Stuhl Petri unterstreiche, dass die katholische Kirche eine Weltkirche sei. Die Kirche vereinige einmütig Menschen aller Kontinente als Brüder und Schwestern, erklärte Hauke. Franziskus habe "das Steuer des Schiffleins Petri in einer unruhigen Zeit ergriffen" und werde darum als "Pontifex", als Brückenbauer, besonders gefordert sein. Als Beispiele nannte Hauke die Situation innerhalb der katholischen Kirche und die Ökumene.

Die Wahl des neuen Papstes ist für den Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt ein großer Schritt in Richtung Weltkirche. Er erhoffe sich von Papst Franziskus "Anregungen und Impulse, die er einbringen kann aus seiner bisherigen Arbeit in Lateinamerika". Das sei umso wichtiger, da "es in der Kirche im alten Europa zusehends an Glaubenskraft mangelt".

Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige sieht in der Wahl des neuen Papstes Grund zur Hoffnung auf Reformen im Vatikan. Auf jeden Fall müsse im Vatikan und vor allem bei der Kurie, dem verlängerten Arm des Papstes, "vieles neu geregelt werden", sagte Feige in einem Interview. In der Vergangenheit seien einige Pannen passiert, die weniger dem Papst als vielmehr dem Apparat anzulasten seien. Zudem müsse das Verhältnis von Rom und den Ortskirchen, die mehr Selbstständigkeit bekommen sollten, neu austariert werden. "Ein gewisser Zentralismus ist abzubauen", betonte Feige. In Bezug auf die Ökumene könne der Papst wichtige Signale senden und Impulse geben. Jedoch könne er nicht alle unerledigten Aufgaben auf einmal lösen.

Positive Reaktionen gab es auch von Vertretern der evangelischen Kirche in Ostdeutschland. Der Görlitzer Generalsuperintendent Martin Herche schreibt: Möge durch das Pontifikat von Franziskus "das Zeugnis des Glaubens gestärkt und der Blick für alle geistliche und materielle Armut in unserer Welt geschärft werden. Das Zeugnis des Glaubens in Wort und Tat verbindet uns über die Konfessionsgrenzen hinweg. Es ist mein großer Wunsch, dass dadurch das Fragen und die Sehnsucht nach Gott auch in unserem Land wachsen können und die Bereitschaft zur Verantwortung für ein gerechtes Miteinander in unserer Welt noch viel mehr Raum gewinnt". Die mitteldeutsche Landesbischöfin Ilse Junkermann würdigte Papst Franziskus als Persönlichkeit mit ausgeprägtem Blick "auf die ungerechte Verteilung der Güter dieser Erde". Zugleich wünschte sie dem Papst "die Freiheit, um der Menschenfreundlichkeit unserer Botschaft willen vorgezeichnete Bahnen verlassen zu können". Als Beispiel nannte sie die Frage der Empfängnisverhütung. "Hier könnte der neue Papst Zeichen setzten."

Der anhaltische Kirchenpräsident Joachim Liebig hat die Wahl von Papst Franziskus begrüßt. Zwar teilte er nach eigenen Worten mit vielen anderen die noch geringe Kenntnis über den neuen Papst. Das wenige Bekannte aber lasse ihn mit Gewissheit hoffen, in Franziskus einen Mann sehen zu können, der sich den weltweiten Aufgaben des Christentums beherzt stellen werde.
Text: Tag des Herrn (24.03.2013)
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Historisches Bild: Das Treffen der zwei Päpste
Franziskus spricht mit Benedikt in der Sommerresidenz Castel Gandolfo

Rom. Es ist ein in der Kirchengeschichte einmaliges Treffen (Samstag, 23. März 2013): Zehn Tage nach seiner Wahl hat Papst Franziskus seinen Vorgänger Benedikt XVI. zu einem Gespräch aufgesucht.

Dutzende Gläubige, Schaulustige, Fotografen und Journalisten hatten sich vor der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo bei Rom versammelt - in der Hoffnung, dass sich die beiden Päpste einmal am Fenster zeigen würden. Bergoglio hatte seinen Vorgänger seit dem Abend seiner Wahl mehrmals gewürdigt und zweimal angerufen.

Es ist das erste Mal seit Jahrhunderten, dass ein Papst seinen Vorgänger treffen kann, da Benedikt das erste Kirchenoberhaupt seit dem Mittelalter war, das zurückgetreten ist. Coelestin V. war 1294 zum Papst gewählt worden, um einen Streit zwischen den Kardinälen zu beenden. Kurz nach seiner Ernennung erließ er ein Dekret, das Papstrücktritte ermöglichte, und dankte bereits nach fünf Monaten ab.

Zum Inhalt der Gespräche zwischen Franziskus und Benedikt XVI. machte der Vatikan keine Angaben. Die großen anstehenden Themen dürften aber auf der Agenda gestanden haben - von der Reform der Kurie über die Vatileaks-Affäre bis zum Umgang mit dem Missbrauchsskandal und die schwindende Zahl der Kirchenanhänger. Die Zeitung La Stampa sprach von einer "Machtübergabe" auf Castel Gandolfo, wie es sie in der Geschichte des Christentums noch nicht gegeben habe.

Es heißt, Benedikt habe für Franziskus ein Memorandum zum Fall Vatileaks vorbereitet. Diese große Affäre hatte über den Rücktritt hinaus Wellen geschlagen. Medien hatten berichtet, ein geheimer Untersuchungsbericht lege aller Heiligkeit spottende Zustände um Macht-, Sex- und Geldgelüste innerhalb der römischen Kurie offen. Das Geheimdossier zu der Affäre um den Dokumentenklau aus den päpstlichen Gemächern liegt Franziskus bereits vor.
Text: Katie Kahle, Leipziger Volkszeitung (25.03.2013)
Fotos: Action-Press
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