Rückblick
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Leipzig erwartet bis zu 60.000 Besucher: Heute beginnt der Katholikentag
Gauck spricht zur Eröffnung auf dem Markt / Papst sendet Videobotschaft / 1.000 Veranstaltungen bis Sonntag

Leipzig. Bis zu 60.000 Besucher werden erwartet, rund 30.000 Dauerteilnehmer reisen an, über 1.000 Veranstaltungen stehen auf dem Programm: Der 100. Katholikentag in Leipzig wird ein Fest der Superlative. Neben prominenten Namen wie Bundespräsident Joachim Gauck, Ministerpräsident Stanislaw Tillich oder Bundesinnenminister Thomas de Maizière haben sich auch bekannte Bands wie die Wise Guys, die TV-Köchin Sarah Wiener oder die amtierende Miss Germany Lena Bröder angesagt. Die Jubiläumsveranstaltung steht unter dem Motto "Seht, da ist der Mensch".

Nur zehn Prozent der mehr als tausend Veranstaltungen seien Gottesdienste, betont der Veranstalter, das Zentralkomitee der Katholiken (ZdK). Alles andere sind bunt gemischte Podiumsdiskussionen, Workshops, Beratungsangebote, Ausstellungen und fast 160 Konzerte. "Es ist eine Herausforderung", sagt der ZdK-Präsident Thomas Sternberg mit Blick auf den geringen Katholikenanteil von 4,3 Prozent in Leipzig. "Aber wir spüren einen Aufbruch. Die Menschen hier sind nicht kirchenfeindlich sondern offen für Neues." So wurde extra für Leipzig der Themenbereich "Leben mit und ohne Gott" ins Programm gerückt, um Gespräche zwischen Christen und Atheisten zu eröffnen. Auch ungewöhnliche Orte des Katholikentags sind in Leipzig gewollt. So gibt es Streitgespräche im Pub oder Andachten am Cospudener See.

Die Flüchtlingsdebatte ist ein anderer Programm-Schwerpunkt. "Fremd ist der Fremde nur in der Fremde", heißt ein Podium mit Bundestagspräsident Norbert Lammert. "Vergesst die Gastfreundschaft nicht", lautet eine Veranstaltung mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière.

Los geht es heute Nachmittag (Mittwoch, 25. Mai 2016) mit dem offiziellen Festakt in der Oper, daran schließen sich die Eröffnungsparty auf dem Leipziger Markt (18:00 Uhr) und ein "Abend der Begegnung" an. Zur Eröffnung wird auch eine Videobotschaft des Papstes gesendet, die Franziskus extra für das Leipziger Glaubensfest verfasst hat. Das katholische Hochfest Fronleichnam wird am Donnerstagmorgen auf dem Augustusplatz gefeiert und in der ARD übertragen. Für Sonnabend laden die Katholiken in die Innenstadt zum großen Straßenfest mit langen weißen Tafeln und Picknickkörben ein. Das Motto lautet dann: "Danke, Leipzig". Sonntagvormittag gibt es den großen Abschiedsgottesdienst auf dem Augustusplatz. Bis zu 50.000 Menschen werden hier erwartet.

Zum Auftakt hat die ZdK-Vollversammlung eine Erklärung verabschiedet, in der sich Christen und Muslime gemeinsam gegen religiös motivierte Gewalt aussprechen.

Leitartikel: Glauben statt recht haben
von Peter Korfmacher

Beinahe seit es Religionen gibt, wird in ihrem Namen gemordet und gefoltert. Mit ständig wechselnden Fronten und ständig neuverteilten Rollen. Wer heute Täter ist, kann morgen schon Opfer sein - und umgekehrt. Da liegt es nahe, die Religionen selbst für das viele Leid verantwortlich zu machen, das über die Jahrtausende unter ihrem Deckmantel über die Menschheit kam und kommt. Aber erstens ließe sich dem entgegenhalten, dass atheistische Gesellschaften keineswegs per se die friedliebenderen sind, auch sie bisweilen eine Art negativer Missionierung mit Feuer und Schwert betrieben haben. Und zweitens ist für das, was Menschen seit undenklichen Zeiten Menschen antun, keine Religion verantwortlich, schon gar kein Gott.

Es sind immer Menschen. Und denen geht es keineswegs immer um Religion. Die Hintermänner der Kreuzzügler, die im Mittelalter eine breite Schneise des Todes quer durch die damals bekannte Welt schlugen, hatten vor allem Macht im Sinn. Bei denen der Heiligen Krieger, die mittlerweile zum Gegenbesuch aufgebrochen sind, verhält es sich nicht anders. Bei beiden gilt: Welches heilige Buch auch immer sie in den Händen halten oder im Geist, während sie morden und brennen, es kann nichts dafür.

Das ist die Kernaussage der Erklärung "Keine Gewalt im Namen Gottes", die der Gesprächskreis "Christen und Muslime" gestern im Vorfeld des Katholikentags in Leipzig vorstellte. Sie trägt den Untertitel "Christen und Muslime als Anwälte für den Frieden".

"Gott zur Rechtfertigung von Tötungen und Gewalttaten in Anspruch zu nehmen, ist Gotteslästerung", lesen wir da. Oder kurz und bündig: "Heilige Kriege gibt es nicht", denn "Bibel und Koran wollen die Menschen zu Gerechtigkeit und Frieden führen". Um dorthin zu gelangen, sind "Feindbilder zu erkennen und zu überwinden". Darum ist "Gewaltprävention eine Aufgabe für alle religiösen Menschen". Man kann sie sofort unterschreiben, diese und die anderen Thesen des Papiers. Indes: Realisten oder Zyniker werden schon am Ende der Präambel mit den Schultern zucken: "Als Gesprächskreis", steht da, "erteilen wir jedweder vermeintlich religiös motivierten Gewalt und dem Missbrauch unserer Religionen eine klare Absage" - das, mit Verlaub, wird den geneigten Gotteskrieger wenig interessieren.

Und doch ist es der einzige Weg. Wer miteinander spricht, bringt sich nicht um - vorausgesetzt es handelt sich um ein Gespräch, bei dem es beiden Seiten darum geht, die jeweils andere zu verstehen. Nicht darum, sie zu überzeugen. Beim Gesprächskreis haben zwar wieder nur die Gutwilligen einander zugehört. Aber sie haben einen großen Schritt in die richtige Richtung getan. Denn hier liegt das Problem mit Religionen und Weltanschauungen: Wer etwas wirklich glaubt, der glaubt es zu wissen. Wer etwas weiß, will recht behalten. Spätestens dann hat die Toleranz es schwer - und zur Gewalt ist es nur noch ein kleiner Schritt.
Text: Olaf Majer, Leipziger Volkszeitung (25.05.2016)
Foto: André Kempner

Video: MDR

Papst-Botschaft für Leipzig: "Gebt der Stimme der Armen mehr Raum"
100. Katholikentag feierlich eröffnet / Bundespräsident Gauck würdigt Einsatz von Christen für Flüchtlinge

Leipzig. Gelungener Auftakt für den 100. Katholikentag in Leipzig. Bis zu 10.500 Gläubige feierten gestern (Mittwoch, 25. Mai 2016) auf dem Markt eine fröhliche Eröffnungsparty. Bundespräsident Joachim Gauck sagte in seinem Grußwort, Staat und Gesellschaft seien dankbar für den selbstlosen Einsatz vieler katholischer und evangelischer Christen für das Gemeinwesen in Deutschland. "Sie sehen und schätzen, was von ihnen hauptamtlich und ehrenamtlich geleistet wird. In der Aufnahme und Hilfe für die Flüchtlinge ist das wieder einmal sehr deutlich geworden", so Gauck.

Premiere auf einem deutschen Katholikentag war die Botschaft des Papstes, die per Video auf die Großleinwand am Markt ausgestrahlt wurde. Franziskus wandte sich dabei ganz persönlich an die Besucher in Leipzig und sagte: "Ich freue mich, dass Ihr in so großer Zahl gekommen seid. Ihr wollt den Menschen in Leipzig und in ganz Deutschland zeigen, dass Ihr aus der Freude des Evangeliums lebt." Der Papst mahnte, die Hektik unserer Zeit zu überwinden und sich mehr Zeit für Alte, Kranke und Flüchtlinge zu nehmen und bewusster mit der Umwelt zu leben. "Es ist nicht das Machen oder der äußere Erfolg, der zählt, sondern die Fähigkeit, stehen zu bleiben, hinzuschauen, aufmerksam zu sein gegenüber dem Mitmenschen und ihm zu geben, was ihm wirklich fehlt", sagte das Kirchenoberhaupt. "Gott will uns glücklich sehen, voller Freude und Gelassenheit." In heutigen Gesellschaft würden Menschen dagegen viel zu schnell an den Rand gedrängt. Man sehe oft nur den geschundenen Menschen, "wie andere über den Wert seines Lebens befinden und ihn in Alter und Krankheit zum schnellen Sterben drängen", meinte der Papst. Auch Arbeitslose und Flüchtlinge würden "bloßgestellt, hin und her gestoßen und ihrer Würde beraubt".

Franziskus sagte unter großen Beifall der Gläubigen, er habe eine Botschaft für den Katholikentag: Er wünsche "allen, die in Leipzig versammelt sind, dass sie in ihrem Leben der Stimme der Armen und Zerschlagenen immer mehr Raum geben." Anschließend fand in der City ein Abend der Begegnung statt. Heute beginnt das Programm mit einem zentralen Fronleichnam-Gottesdienst, Konzerten und zahlreichen Podien.
Text: Olaf Majer, Leipziger Volkszeitung (26.05.2016)
Fotos: André Kempner

Heilige Messe in Leipzig

Leipzig. Rund 13.000 Menschen haben gestern (Donnerstag, 26. Mai 2016) auf dem Augustusplatz in der Leipziger Innenstadt einen Fronleichnamsgottesdienst gefeiert. Die Predigt hielt der Berliner Erzbischof Heiner Koch. Der Gottesdienst war Bestandteil des 100. Deutschen Katholikentags, an dem bis zum Sonntag rund 60.000 Gäste teilnehmen. Auf dem Programm stehen unter dem Leitwort "Seht, da ist der Mensch" mehr als 1.000 Diskussionsrunden, Workshops, Konzerte und Gottesdienste.
Text: Leipziger Volkszeitung (27.05.2016)
Foto: André Kempner

Katholikentag: "Es war eine gute Entscheidung, nach Leipzig zu kommen"
Veranstalter zieht überaus positives Zwischenfazit / Auch Hotel- und Gastro-Branche zufrieden

Leipzig. So viel Lob kommt fast einer Heiligsprechung gleich: Thomas Sternberg, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), hat eine mehr als positive Zwischenbilanz des 100. Deutschen Katholikentages gezogen. Zugleich zeigte sich der 64-jährige, dessen Verband das Christen-Treffen ausrichtet, von den Gastgebern begeistert: "Es war eine gute Entscheidung, nach Leipzig zu kommen", sagte der CDU-Politiker aus Nordrhein-Westfalen gestern (Freitag, 27. Mai 2016) gegenüber der LVZ. "Das spezifische Katholikentagsfeeling, diese Mischung aus Beten und Diskutieren, aus Innehalten und Feiern, ist in Leipzig voll da." Das Gros der Messestädter, die überwiegend nicht religiös und noch weniger katholisch sind, vermittele den Gästen aus nah und fern das Gefühl, willkommen zu sein. "Sicher, die einen sagen: 'Was sind das für komische Leute, die da mit grünen Schals herumlaufen?' Zugleich gibt es aber auch viele, die stellen fest: 'Mensch, ist ja doch eine ganz interessante Truppe, diese Katholiken'", freute sich Sternberg. "Wenn am Ende der Eindruck hängen bleibt, dass sich mit diesen merkwürdigen Vögeln von Katholiken ja doch ganz gut reden lässt und dass sie über Dinge nachdenken, die mich auch bewegen, dann würde uns das sehr freuen."

Der ZdK-Präsident sieht als ein wichtiges Signal des Glaubensfestes, "dass in diesen unruhigen, hoch emotionalisierten Zeiten die besten Tugenden Europas gefragt sind, nämlich Dialog, Toleranz und Offenheit". Es gebe kaum eine andere Stadt in Deutschland, "die besser geeignet ist, diese Botschaft zu transportieren, als Leipzig, die altehrwürdige Messestadt, die immer schon gewusst hat, was Internationalität bedeutet und die mit der Friedlichen Revolution 1989 bewiesen hat, dass sich Prinzipien gewaltlos durchsetzen lassen".

32.000 Menschen hatten im Vorfeld eine Dauerkarte für den fünftägigen Veranstaltungsmarathon erworben. Bis Freitagmittag kamen noch 4.000 Tagesgäste hinzu - weniger als erwartet worden waren. Für den heutigen Sonnabend rechnen die Veranstalter allerdings mit deutlich mehr Zuspruch. Zufrieden mit dem Mega-Event zeigte sich Holm Retsch, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Sachsen. "Der Katholikentag bringt zwar nicht die Einnahmen wie Buchmesse oder Wave-Gotik-Treffen, für unsere Branche ist er dennoch ein Segen." Vor allem aber sei das friedliche Fest gut für Leipzigs Image.
Text: Dominic Welters, Leipziger Volkszeitung (28.05.2016)
Foto: André Kempner

Video: ZDF

"Danke, Leipzig!" Katholikentag feiert großes Finale auf dem Augustusplatz
25.000 bei Schlussgottesdienst / ZdK-Chef fordert Diakonat der Frau / Teilnehmerzahlen unter den Erwartungen

Leipzig. Großes Finale beim 100. Deutschen Katholikentag: Mit einem stimmungsvollen Gottesdienst auf dem Leipziger Augustusplatz ging das Jubiläumstreffen gestern Mittag (Sonntag, 29. Mai 2016) zu Ende.

Bei strahlendem Sonnenschein sangen, beteten und feierten rund 25.000 Gläubige und setzten einen eindrucksvollen Schlusspunkt unter die fünf Tage von Leipzig. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), sagte unter dem Beifall der Teilnehmer: "Danke, Leipzig! Danke den Gastgebern! Wir waren gern hier, haben uns wohl gefühlt und wurden mit Gastfreundschaft beschenkt." Für ihn sei das Signal von Leipzig, dass Christen immer wieder den Dialog mit allen Gesellschaftsgruppen suchen müssten. Allerdings gebe es auch Grenzen: "Wir wenden uns gegen alle, die Ängste und Misstrauen säen." Zu den innerkirchlichen Reformen, die auch der Katholikentag besprochen habe, fand der ZdK-Präsident überraschend klare Worte. Unter dem lauten Jubel der Gläubigen sagte Sternberg: "Wir wünschen uns den Diakonat der Frau." Bislang sind Frauen in der katholischen Kirche von diesem seelsorgerischen Dienst ausgeschlossen.

Am Wochenende hatten noch einmal zahlreiche Podien, Konzerte und andere Veranstaltungen Katholikentagsbesucher angelockt. Höhepunkt war ein Straßenfest am Sonnabend in der Innenstadt. Bei den Teilnehmerzahlen blieb das Treffen von Leipzig aber unter den Erwartungen. Statt der erhofften 60.000 Besucher wurden 34.000 Dauerteilnehmer und 6.000 zahlende Tagesgäste registriert. Allerdings war der Besuch vieler Freiluft-Veranstaltungen kostenfrei. Die kritische Basisbewegung "Wir sind Kirche" zeigte sich enttäuscht - ein echter Dialog mit Kirchenfernen sei in Leipzig nicht zustande gekommen. Kardinal Karl Lehmann, ehemals Chef der Deutschen Bischofskonferenz, beklagte die oftmals nur halbgefüllten Hallen bei den politischen Podien. "Das ist nicht nur Verdrossenheit", so Lehmann, "sondern ein Stück weit Hoffnungslosigkeit."

Leitartikel: Seht, da ist Leipzig!
von Olaf Majer

Braucht es Gott zum Glücklichsein? Welch eine Frage! Sagen zu Recht die Teilnehmer des Katholikentages. Es waren (zwar nur) 40.000 Ticketinhaber hier, in der stolzen Bürgerstadt Leipzig - doch die Gläubigen haben mit grünen Schals und munteren Gesängen für ein buntes Straßenbild gesorgt. Sie haben fröhlich ihren Glauben gelebt und mit ihrer guten Laune sogar manchen in der Gastgeberstadt angesteckt.

Welch eine Frage! Sagen aber auch entrüstet die Kirchenfernen, die in Leipzig in der übergroßen Mehrzahl sind. Die längst vergessen haben, dass sie Gott vergessen haben. Viele blieben skeptisch gegenüber dem Treiben der Ordensfrauen, Soutane-Träger und Rucksack-Gläubigen, die so gar nicht in eine Stadt zu passen scheinen, in der nicht mal jeder 20. ein Katholik ist. Und die trotzdem mit einer Million EUR Zuschuss das Glaubensfest großzügig bedacht hat - die nächste Katholikenstadt Münster gibt nur Sachleistungen.

Braucht es Gott zum Glücklichsein? Für viele ist die Frage längst beantwortet. Nach einer aktuellen Umfrage können acht von zehn Deutschen für ihr persönliches Glück locker auf den Glauben verzichten. Auf Kinder jeder Zweite. Aber nur zwei von zehn Befragten möchten das Internet missen. Das sagt viel: Wer braucht schon den Draht nach oben oder die Erdung mit dem Nachwuchs auf der Krabbeldecke, wenn es ein aufregendes Leben im Datennetz mit Highspeed-Geschwindigkeit gibt?!

Und doch ist glücklich, wer Gott zum Sein braucht. Das hat dieser Katholikentag gezeigt. Der viele Fragen stellte und nicht alle Antworten fand. Der nach Reformen verlangte, damit Kirche im Leben der Menschen nichts Fremdes ist. Der die Herausforderung gewagt hat, auf Kirchenferne zuzugehen. "Seht, da ist der Mensch" - hieß das Motto. "Seht, da ist Leipzig!" - lautet das Echo. Die Stadt der Friedlichen Revolution hat gezeigt, dass sie friedliches Miteinander kann, selbst wenn es manchmal nur ein freundliches Nebeneinander war. Und dass sie immer für eine kleine Revolte gut ist. Wie zu Fronleichnam, als sich ein katholischer Priester und eine evangelische Pfarrerin gegenseitig segneten. Oder am Sonntag beim Schlussgottesdienst, als der Diakonat der Frau unter lautem Jubel gefordert wurde. Wunderbar!

Dass der Glaube auch in Leipzig nicht alle Berge versetzen kann, zeigte leider die AfD-Ausladung von allen Podien. Auch wenn deren Führungsspitze mit giftigen Äußerungen zu angeblichen Millionengeschäften der Hilfswerke mit Flüchtlingen und der Verunglimpfung des Fußball-Nationalspielers Jerome Boateng alles für eine Rechtfertigung des Bannstrahls gab: Das hässliche Wort "Ausgrenzung" war in der Welt. Und das passt schlecht zur Einladung zum Dialog, die explizit an alle ging.

Dennoch: Der 100. Katholikentag war ein Leuchtfeuer. Dass es nun in den Mühen der Ebene weitergeht und die Strahlkraft von Leipzig nur bedingt in jede christliche Gemeinde reicht, liegt in der Natur der Sache. Katholikentage und evangelische Kirchentage sind Festtage. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Gott sei Dank!
Text: Olaf Majer, Leipziger Volkszeitung (30.05.2016)
Fotos: dpa & Wolfgang Zeyen

Seht, da ist der Katholik
Das 100. Treffen der "größten Sekte" war fröhlich wie immer, geistlicher und älter als früher

Leipzig. "Gott sei Dank, dass wir es gewagt haben. Ich bin glücklich." Berlins Erzbischof Heiner Koch sagte das bereits zur Halbzeit des 100. Katholikentags in Leipzig. Und richtig: Das Treffen unter dem Leitwort "Seht, da ist der Mensch" geriet bis zum Schluss eindrucksvoll, fröhlich und friedlich.

Bedenken gegen Leipzig hatte es reichlich gegeben: Eine Stadt mit kaum fünf Prozent Katholiken, in der man überdies heftig um den Millionenzuschuss für die Veranstaltung stritt. Noch am Eröffnungsabend schimpft der Cartoonist Ralf König in der Leipziger Volkszeitung: "Die Katholiken bilden nur eine größere Sekte, warum sollte man als Außenstehender deren Rituale bezuschussen?"

Dass Oberbürgermeister Burkhard Jung bei der Eröffnungsparty seiner Versicherung "Wir freuen uns!" den Nachsatz "Glauben Sie es mir!" hinterherschicken zu müssen glaubt, klingt nicht eben restlos überzeugend. Das Flair des Katholikentags "muss reinschwappen in die Stadt", fügt Jung hinzu. Und siehe da: Es schwappt. Gleich am Mittwochabend, so empfindet es Leipzigs Propst Gregor Giele, "veränderte sich praktisch innerhalb von Minuten die Atmosphäre in der Stadt" - die Leipziger hätten sich anstecken lassen von der "heiteren Gelassenheit" der Gäste.

Für typische "Feeling" sorgt die Eröffnung schon nach einer Viertelstunde, dürfen 10.000 Besucher doch ein Medley der Katholikentagshits mitsingen: "Wo Menschen sich vergessen", "Unser Leben sei ein Fest", "Jetzt ist die Zeit". Dass Bundespräsident Joachim Gauck da ist und Papst Franziskus seine Videobotschaft auf Deutsch vorträgt, stärkt das Selbstwertgefühl. Es geht also gut los, und es geht gut weiter mit einem Fronleichnamsgottesdienst, der starke ökumenische Akzente setzt und dem keine Prozession folgt, sondern ein abendlicher Stationenweg bei Kerzenschein, der 12.000 in den Bann zieht.

Die politische Prominenz verliert an Anziehungskraft

Der Umgang mit den Flüchtlingen ist ein zentrales Thema - es ist kein kontroverses. Kardinal Reinhard Marx sagt beim Schlussgottesdienst: "Wenn jemand an unsere Grenze kommt, wird er menschenwürdig behandelt, dann bekommt dieser Flüchtling ein faires Verfahren und niemand wird zurückgeschickt in eine Situation, in der Krieg und Verfolgung herrschen." Solche und ähnliche Sätze sind in Leipzig oft zu hören und finden zuverlässig Beifall.

Während die geistlichen Angebote viel Zulauf erfahren, haben es die Podien mit der Politprominenz schwer. Selbst der Bundespräsident füllt die Arena nur zur Hälfte; die gähnende Leere in der Halle bei einer Debatte mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles regt einen Reporter gar zur Umformulierung des Mottos an: "Seht, da ist kein Mensch".

Mit 34.000 Dauerteilnehmern verzeichnet das Leipziger Treffen eine ähnliche Resonanz wie die vorigen. Dass die Zahl der jugendlichen Katholikentage vorerst vorbei ist, bestätigt sich; rund 30 Prozent sind unter 30, gut 40 Prozent über 50 Jahre alt.
Text: Hubertus Büker, Tag des Herrn (05.06.2016)
Foto: epd-bild

Katholikentag mit Gottesdienst beendet

Leipzig. Mit einem großen Gottesdienst auf dem Augustusplatz in Leipzig ist der 100. Deutsche Katholikentag zu Ende gegangen. Für die Veranstalter sagte Thomas Sternberg, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken: "Es war eine richtige Entscheidung nach Leipzig zu gehen. Insgesamt haben die Leipziger uns das Gefühl gegeben, willkommen zu sein." - Ein besonderes Fazit hat Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) gezogen: "Manch ein Leipziger ist wieder wachgeküsst worden und hat Interesse gefunden an dem, was Katholiken oder auch Christen überhaupt tun, wie sie leben und was sie an und für sich in ihrem Leben führt", so seine Hoffnung.
Text: Tag des Herrn (05.06.2016)
Foto: epd

100. Katholikentag in Leipzig

"Halle überfüllt" hätte auch das Motto des 100. Deutschen Katholikentages, vom 25. bis 29. Mai 2016, in Leipzig heißen können. Für den einen oder anderen war es sicherlich schade oder auch ärgerlich, die gewünschte Veranstaltung nicht besuchen zu können. Ist es aber nicht schön, dass der Katholikentag mit solch einer Begeisterung angenommen wurde und die Stadt Leipzig so lebendig werden ließ? Die vielen begabten Musiker, um die sich Menschentrauben bildeten; die Straßenkünstler, die Leipzig bunter machten; die Redner, die frischen Wind in die Gedanken brachten; und alle anderen Mitwirkenden, Helfer und Organisatoren, die den Katholikentag für viele Menschen zu einem unvergesslichen Erlebnis machten. Doch nicht nur das machte den in der Heimat stattfindenden Katholikentag so bereichernd, vielmehr waren es die zahlreichen Begegnungen mit vielen bekannten, aber auch fremden Gesichtern. Selbst allein war man auf dem Katholikentag nicht allein.

Bereits der Abend der Begegnung wurde seinem Namen gerecht. Ankommen, eintauchen und einlassen in die Stadt und den Trubel. Das umfangreiche Programm der folgenden Tage mit Workshops, Konzerten, Fachdiskussionen, Lesungen, Filmen u.v.m. verschaffte dennoch Zeiten zum Besinnen und Ruhig werden in Gebeten, Meditationen oder Gesprächen. Auch ein Bummel über die Kirchenmeile an der Leipziger Propstei zeigte die Vielfalt der Kirche. Verschiedenste Initiativen, Vereine und Verbände hatten die Möglichkeit sich vorzustellen, wie z.B. christliche Juristen, homosexuelle Christen, Altkatholiken, Initiativen katholischer Priester und Frauen usw. Die Offenheit des Kirchentages, insbesondere des Programms, beeindruckte letztlich in gleicher Weise nicht-christliche und christliche Besucher, wie aus einigen Gesprächen zu erfahren war. Die Themenvielfalt verdeutlichte, dass die Kirche Platz für jeden Menschen hat und darauf achten möchte, was den Menschen wichtig ist und was sie brauchen.

Ein gelungenes Ende nahm der Katholikentag beim Abschlussgottesdienst am Sonntag auf dem Augustusplatz, indem noch einmal klare, zusammenfassende Worte gefunden wurden. Fremdes solle nicht als Bedrohung sondern als Bereicherung erlebt und in Vertrautheit gewandelt werden - durch Offenheit und Dialogbereitschaft. Das Ziel muss sein, den Menschen in den Blick zu nehmen, so einzigartig wie er oder sie ist - ganz nach dem Motto des Kirchentages "Seht, da ist der Mensch".
Text: Sarah Kokot


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Fotos: Sarah Kokot
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