Rückblick
Ein Rückblick in Wort, Bild und Ton zu einer Veranstaltung der katholischen Gemeinde St. Joseph Borna.
Historischer Stadtrundgang in Borna

Bereits im Mittelalter hatte es jüdisches Leben in Borna gegeben. Darauf weist nicht nur die Helmzier eines jüdischen Kaufmanns im Bornaer Stadtwappen hin. Allerdings seien diese Lebensspuren im Zuge der Pogrome um die 14. Jahrhundertwende, die sich in Sachsen rasch ausbreiteten, wieder verschwunden. Das hatten Forschungen in Archiven nachgewiesen, so berichtete es Thomas Bergner. Der Museumsmitarbeiter hatte eine 30-köpfige Gruppe beim historischen Stadtrundgang – im Rahmen des Projekts "Jüdische Lebensspuren in Borna" – am Samstag, dem 10. Juli 2021, auf der Suche nach jüdischen Spuren begleitet.

Erst 1880 zogen wieder Menschen jüdischen Glaubens nach Borna. Sie kamen zum Teil aus Ostpreußen bzw. Schlesien und waren hauptsächlich Händler. Sie bereicherten schnell mit ihren Kaufläden die Innenstadt und waren gefragte Adressen bei den Einwohnern. Zeugnisse dieser Zeit suchte der Rundgang auf, ebenso zeigte Thomas Bergner einige Fundstücke aus dem städtischen Museum oder ließ Zeitzeugen berichten. Doch um 1940 erlosch erneut das letzte bekannte jüdische Lebenszeichen in Borna.

Der Weg führte zu den ehemaligen Wohnhäusern der drei bekanntesten Bornaer Familien jüdischen Glaubens quer durch die Innenstadt. Angefangen bei Familie Rose in der heutigen Roßmarktschen Straße, deren Schicksal am besten erforscht ist – auch mit Unterstützung von überlebenden Angehörigen. Davon zeugen seit 2009 die an ihrem letzten Wohnort verlegten Stolpersteine. Bei den nachfolgenden Familien Singer und Motulsky werden die Informationen zu deren Geschichten bereits spärlicher. Thomas Bergner nannte noch eine Reihe von weiteren Familiennamen, aber zu denen ist bisher so gut wie nichts bekannt. Daher könnte er sich bspw. ein Schulprojekt vorstellen, um diese Familienschicksale näher zu beleuchten und vielleicht mit weiteren Stolpersteinen daran in Borna zu erinnern.

Nach einem Zwischenhalt am Ort der "Schreibtischtäter", der ehemaligen NSDAP-Kreissitzstelle, in der Wettinstraße endete die informative und zugleich bedrückende Spurensuche an der Gedenkstätte in der Lobstädter Straße. Hier liegen 98 Tote des ehemaligen Konzentrationslagers in Flößberg, einem Außenlager des KZ Buchwald, begraben. Diese wurden nach Kriegsende aus einem gefundenen Massengrab im Flößberger Wald von US-Truppen ins benachbarte Borna, dem damaligen Kreissitz, gebracht und bestattet. Es waren hauptsächlich ungarische Juden, die mit hunderten anderer Zwangsarbeiter im letzten Kriegsjahr eine Fertigungsanlage für Panzerfäuste errichten mussten. Zu dieser Zeit waren die Bornaer Bürger jüdischen Glaubens bereits verschwunden. Sie wurden in Folge des Novemberpogroms von 1938 über Leipzig in verschiedene deutsche Vernichtungslager deportiert oder verließen von allein ihre Heimatstadt.

Übrigens gab es, wie anderenorts, bei diesem Pogrom am 10. November in Borna neben den Opfern und Tätern auch Mutige. Während einheimische SA-Kräfte für die Zerstörung der jüdischen Geschäfte mitverantwortlich waren, gab es ebenso mutige Nachbarn, die die Obdachlosen für kurze Zeit aufnahmen. Obwohl in deren Nähe auch Nazi-Sympathisanten lebten. Die zuerst bekannt gewordenen Berichte, dass Leipziger SA-Kräfte einen Tag nach dem deutschlandweiten 9.-November-Terror in Borna eintrafen und für die Verwüstungen verantwortlich waren, konnten Zeitzeugen später nicht bestätigen, erklärte Thomas Bergner. Bspw. konnte Ruth Rose einige Namen von Bornaer Einwohnern benennen, die bei den Geschehnissen mitwirkten. Sie war einzige Überlebende der Familie Carl Rose. Sie suchte nach dem Krieg wieder Kontakt nach Borna, um sich nach dem Verbleib von Angehörigen zu erkundigen.
Text: Philipp Ramm-Kokot

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Fotos: Philipp Ramm-Kokot
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