Rückblick
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"Geben wir ihnen eine Chance"
Für ihre Sorge um Flüchtlinge und Migranten erhält die katholische Pfarrei Borna den Sozialpreis der Caritas-Stiftung

Dresden. Die Caritas-Stiftung im Bistum Dresden-Meißen hat am 18. November 2014 zum zweiten Mal den Sozialpreis an eine katholische Pfarrei verliehen. Preisträger ist diesmal die Gemeinde St. Joseph in Borna, die sich um Flüchtlinge und Migranten kümmert.

Sie kommen aus Syrien und dem Irak in eine für sie fremde Welt. Sie verstehen die Sprache und die Kultur nicht und sind von den Kriegsereignissen in ihren Heimatländern oft traumatisiert. Flüchtlinge und Migranten brauchen Hilfe, um in Deutschland heimisch zu werden und sich wieder an ein normales Leben zu gewöhnen. Dazu gehören die Unterstützung beim Erlernen der Sprache oder eine gezielte Alltagsbegleitung wie Besuche bei Behörden oder Ämtern.

Hilfen, die sich eine Gruppe der katholischen Pfarrei St. Joseph in Borna zur Aufgabe gemacht hat. Dafür hat sie jetzt den mit 1.500 EUR dotierten Sozialpreis der Caritas-Stiftung im Bistum Dresden-Meißen bekommen. Bischof Dr. Heiner Koch, der auch die Laudatio im Haus der Kathedrale in Dresden hielt, hat die Schirmherrschaft übernommen. Die Festansprache bei der Preisverleihung hielt der scheidende sächsische Ausländerbeauftragte Prof. Dr. Martin Gillo.

Ein dichtes Netz von Hilfen

Torsten Hartung war "tief ergriffen", als er die Situation der Flüchtlinge und Migranten im Süden des Landkreises Leipzig kennen lernte. Er nahm Kontakt zu seiner Pfarrei auf, wollte helfen, um die größte Not zu lindern. Viele Stunden seiner Freizeit hat er dafür geopfert. Inzwischen ist daraus ein dichtes Netz von ehrenamtlicher Hilfe entstanden. "Wir helfen den Neuankömmlingen bei der Wohnungssuche und bei der Ausstattung der Wohnung", erläutert Torsten Hartung. Dazu werden zum Beispiel alte Küchen gekauft, wieder aufbereitet und aufgebaut. Hilfen leisten die Bornaer Katholiken aber auch beim schwierigen Besuch von Behörden, füllen mit ihnen Formulare aus oder erläutern ihnen die deutschen Gesetze. "Die größte Hürde ist die Sprache", sagt Dolores Seeling. Deshalb übt sie mit den Flüchtlingen und Migranten Alltagssituationen. "Es reicht nicht aus, Sprachkurse zu besuchen, man muss das Gelernte auch anwenden können", so Frau Seeling.

Caritatives Handeln sei ein wichtiger Wesenszug von Kirche betonte Bischof Dr. Heiner Koch in seiner Laudatio für die Preisträger. "Wo das fehlt, gibt es Kirche nicht mehr", so der Bischof. Für Christen komme es darauf an, die Not der Menschen wahrzunehmen, aber sie auch vor jeder Form von Extremismus zu schützen. Für eine "Willkommenskultur in Sachsen" hat sich der sächsische Flüchtlingsbeauftragte, Prof. Dr. Martin Gillo, ausgesprochen. Soziale Integration sei auch Vorbeugung und vermeide soziale Probleme. "Flüchtlinge wollen uns bereichern, sie wollen in ihrem Leben Sinn finden. Geben wir ihnen dazu eine Chance."
Text: Andreas Schuppert, Pressestelle des Caritasverbandes für das Bistum Dresden-Meißen e.V. (20.11.2014)
Fotos: Andreas Schuppert

Flüchtlinge in die Mitte nehmen
Caritas-Stiftung belohnt Engagement der Pfarrei Borna mit ihrem Sozialpreis

Borna/Dresden (tdh). Die katholische Pfarrei St. Joseph in Borna hat am 18. November 2014 den diesjährigen Sozialpreis der Caritas-Stiftung im Bistum Dresden-Meißen erhalten. Mit dem von Bischof Heiner Koch überreichten Preis würdigt die Stiftung das Pfarrei-Projekt "Sorge für Migranten im Süden des Landkreises Leipzig". Ehrenamtliche helfen Flüchtlingen dabei, sich im deutschen Lebensalltag zurecht zu finden. Unter anderem übersetzen sie für sie aus dem Arabischen und Englischen, begleiten sie in Wohnungs- und Behördenangelegenheiten, bieten ihnen einen Fahrdienst an und ein Konversationstraining, das ihnen das notwendige sprachliche Rüstzeug für Alltagssituationen vermittelt.

Die Caritas-Stiftung hat bereits zum zweiten Mal einen Sozialpreis vergeben, um das Engagement katholischer Pfarrgemeinden für Menschen am Rande der Gesellschaft zu fördern. Im vergangenen Jahr ging die mit 1.500 EUR dotierte Auszeichnung an die Pfarrei Radeberg, die Kindern aus sozial schwachen Familien kostenlosen Nachhilfeunterricht anbietet.

Die Auswahl des aktuellen Preisträgers steht im Zusammenhang mit der aktuellen Caritas-Jahreskampagne "Weit weg ist näher als du denkst", in der es um die globale Verantwortung des Einzelnen geht. "Auch in Sachsen wird die Zahl der Flüchtlinge zunehmen", sagte der Stiftungsrats-Vorsitzende Dieter Blaßkiewitz. "Ihnen muss unsere besondere Aufmerksamkeit gelten."
Text: Tag des Herrn (23.11.2014)
Foto: Philipp Ramm

"Sie sind um ihr Leben gerannt"
Sozialpreis für Flüchtlingshilfe - Interview mit Projektleiter Torsten Hartung

Borna. Die katholische Pfarrei Borna bekam für ihre Migrantenhilfe den Sozialpreis der Caritas-Stiftung im Bistum Dresden-Meißen. Torsten Hartung (54) leitet dieses Projekt und erzählt im Interview von der ehrenamtlichen Arbeit. Er schildert, warum es nicht reicht, eine Wohnung in der Fremde zu haben und weshalb fünf Prozent der Asylbewerber sofort wieder in ihre Heimat zurückgeschickt werden sollten.

Frage: Wie kamen Sie zu diesem Projekt?
Torsten Hartung: Ich bin ein gläubiger Mensch, habe mit Gott gesprochen und beschlossen, diesen Menschen zu helfen. Ich bin zunächst in die Asylbewerberheime nach Hopfgarten, Elbisbach und Thräna gefahren - ich war vorher noch nie dort gewesen - und war sehr bewegt von den Schicksalen der Flüchtlinge. Die meisten sind in ihrer Heimat um ihr Leben gerannt und sehr dankbar, jetzt hier zu sein.

Wie begann die Hilfe?
Zunächst war ich Mina, einem Flüchtling aus Libyen unterwegs, der Arabisch, Kurdisch und Englisch spricht, ich konnte mich ja sonst nicht verständigen. Es ging erst mal darum mitzubekommen, wo es überall Probleme gibt. Das fängt damit an, dass die Leute Briefe vom Amt bekommen, die sie gar nicht lesen können. Wir begannen, nach und nach ein Netzwerk aufzubauen mit Menschen, die können und wollen. Wir sind jetzt rund 20 ehrenamtliche Helfer und das funktioniert hervorragend.

Um welche Bereiche kümmern Sie sich?
Dazu gehören Kindergarten und Schule, Sozialamt, Asylbehörde, Deutschkurs - oder wo kann das Kind Fußball spielen und woher bekomme ich die Fußballschuhe. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist, dezentrale Wohnungen zu finden, diese auszustatten und die Flüchtlinge hier wirkliche willkommen zu heißen.

Das bedeutet konkret?
Wir haben Wohnungen gesucht und gefunden und im Sozialkaufhaus Möbel und Küchen besorgt. Eine Wohnung zu haben ist das eine, damit ist man materiell abgesichert. Aber wir wollen darüber hinaus, dass die Flüchtlinge hier Beziehungen knüpfen und das Gefühl bekommen, wirklich zu Hause zu sein.

Das heißt, miteinander Freizeit zu verbringen?
Genau, wir haben Hoffest, Weihnachtsfeier und Grillparty organisiert, waren gemeinsam bei Konzerten. Es gab einen Kochkurs, wo die Gerichte ihrer Heimat gekocht wurden und Abende, an denen jeder seine Geschichte erzählen konnte.

Haben die Asylbewerber auch Kontakt zu anderen Deutschen außerhalb der katholischen Kirchgemeinde?
Ja, wir haben zum Beispiel mehrere Wohnungen im Frohburger Neubaugebiet. Über die Kinder funktionieren Bekanntschaften sehr gut. Und wir versuchen übrigens auch Deutschen zu helfen, die nicht so viel Geld haben, zum Beispiel indem wir für sie eine Waschmaschine aus dem Sozialkaufhaus besorgen.

Was benötigen Sie derzeit am nötigsten für Ihr Projekt?
Wir brauchen vor allem Möbel und elektrische Geräte, also Waschmaschinen oder Couchgarnituren. Wir würden uns freuen, wenn uns Leute wegen Haushaltsauflösungen anrufen, wir kommen hin und holen alles ab. Es gibt richtige Wartelisten mit Namen von Menschen, die auf Möbelspenden jeglicher Art warten.

Welches Resümee ziehen Sie nach zwanzig Monaten Migrantenhilfe, welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Gute Erfahrungen mit Migranten und deutschen Mitbürgern. 95 Prozent der Flüchtlinge sind integrationswillig und sehr dankbar. Die anderen fünf Prozent würde ich wieder nach Hause schicken, sie haben zum Teil eine lange Vorstrafenliste und sind gewalttätig. Diese Minderheit will sich nicht integrieren und tyrannisiert im Heim die anderen.

Versuchen Sie, diesen Menschen trotzdem zu helfen?
Nein, die wollen gar nicht und da verschwende ich keine Zeit. Strafrecht und Asylrecht behindern sich an dieser Stelle in Deutschland, das ist schlecht. Toleranz hat Grenzen und die sind meiner Meinung nach hier erreicht. Diese Leute schließen sich durch ihr Verhalten selbst aus. In der Schweiz werden sie sofort in ihr Heimatland zurückgeschickt, ich weiß nicht, warum das bei uns nicht geht.

Wie ist Ihrer Meinung nach die Situation in den Asylbewerberheimen?
Es sind Notunterkünfte. Wenn man um sein Leben gerannt ist, ist das schon in Ordnung. Und es gibt dort Leute, die sich unglaublich engagieren, das ist toll.

Wie vielen Familien konnten Sie bisher helfen?
Es sind immer zu wenige.

Sie arbeiten rein ehrenamtlich?
Ja, das ist ein ehrenvolles Amt. Ich habe selbst eine schwierige Lebensgeschichte und will mich hier einbringen. Die Dankbarkeit und die Begegnungen, die wir dafür zurückbekommen, kann man nirgendwo kaufen. Neulich hat jemand zu mir gesagt: "Du bist Vater und Bruder für mich."

Wie bewerten Sie die Abschiebungen von Familien, die immer wieder für Schlagzeilen sorgen?
Es gibt das Dublin-Abkommen. Darin steht, dass die Flüchtlinge in dem Land bleiben müssen, wo sie zuerst Asyl beantragt haben. Natürlich ist die Art und Weise, wie diese Abschiebungen zum Teil ablaufen, dramatisch und ich würde mir auch in solchen Fällen mehr Einzelfallprüfungen wünschen. Aber generell: Es handelt sich hier um ein Gesetz und da wird man sich was dabei gedacht haben.

Wo sehen Sie in der Migrantenarbeit derzeit die größten Probleme?
Bei den Wirtschaftsflüchtlingen. Kürzlich wurde eine politische Entscheidung gefällt, die ich sehr begrüße: Wir müssen Platz schaffen für die, die in ihrer Heimat wirklich mit dem Leben bedroht werden.

Woher kommen derzeit die Asylbewerber?
Aus Syrien, Eritrea, Afghanistan und dem Irak. Es sind meist religiöse Minderheiten. Christen werden dort zum Teil systematisch ausgerottet. Es gibt zum Beispiel eine Familie mit acht Töchtern. Bei ihnen wurde nach und nach ein Kind entführt und die Eltern mussten Geld zahlen, damit sie es zurückbekommen. Bei ihrer jüngsten Tochter hatten sie nichts mehr. Diese Tochter ist bis heute auch nicht zurückgekommen. Die Familie ist geflohen und jetzt in Kanada, den USA und Deutschland verstreut. Und solche Geschichten kann fast jeder erzählen, der hierherkommt.

Kommunizieren Sie diese Schicksale?
Ich erzähle sie dort, wo wir gerade sind, beim Bäcker, auf der Straße, wo ich mit den Familien herumlaufe.

Helfen Sie als Christ allen religiösen Gruppen?
Am Anfang dachte ich, dass ich keinem Moslem helfe. Ich dachte, die schlachten deine Glaubensbrüder und -schwestern ab, für die mache ich nichts. Aber ich habe dann erfahren: Wenn sich eine Hand nach Brot ausstreckt, dann fragst du nicht, ob derjenige Christ, Moslem oder Hindu ist. Und das ist ja auch eine wichtige Botschaft: Unser Glauben ist anders, wir leben das Prinzip Liebe.

Kommentar: Ein Preis für die Menschlichkeit
von André Neumann

Sie sind fremd, sehen anders aus und gelten selbst manchen eigentlich liberal gesonnenen Mitbürger als Eindringlinge, vor denen man sich in Acht nehmen muss: Flüchtlinge. Schlagzeilen machen sie in der Regel nur dann, wenn einige wenige von ihnen als Krawallmacher oder Kriminelle in Erscheinung treten. Kaum jemand kennt ihre Geschichten oder interessiert sich wirklich dafür, warum diese Menschen ihre Heimat verlassen haben.

Torsten Hartung von der katholischen Pfarrei Borna ist hingegangen zu den Flüchtlingen, hat gefragt und sich erzählen lassen, welche Schicksale die Menschen erlebt, was sie in die Fremde getrieben hat, warum viele von ihnen um ihr Leben gelaufen sind. Er hat verstanden und gehandelt. Die Ehrenamtlichen im von ihm geleiteten Projekt Flüchtlingshilfe bemühen sich um nichts weniger als um ein Klima der Freundlichkeit für die Asylbewerber, um Hilfe bei nötigen Behördengängen genauso wie um die Ausstattung von Wohnungen und insgesamt - und das ist vielleicht das Wichtigste für die Menschen, die zum Teil sehr viel aufgegeben haben - um ein Klima des Willkommenseins. Dafür haben Torsten Hartung und seine rund 20 Mitstreiter den Sozialpreis der Caritas-Stiftung im Bistum Dresden-Meißen bekommen. Ein Preis, der ein leider nicht alltägliches Engagement belohnt. Ein Engagement, dessen Antrieb nichts Geringeres ist, als Menschlichkeit, für das es aber auch in gerüttelt Maß an Zivilcourage braucht.
Text: Claudia Carell-Domröse, Leipziger Volkszeitung (03.12.2014)
Fotos: privat
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