Kein Weg der
Streicheleinheiten
Bei der Bistumswallfahrt stellte Bischof Joachim
Reinelt Maria als Revolutionärin vor
Rosenthal.
"Wie wäre es, wenn Politiker sich selbst
als Knechte des Volkes ansähen, dem sie
dienen, oder wenn in den Gemeinden nicht
länger darum gerangelt würde, wer das
größte Sagen hat?"
Maria habe gängiges Denken und Handeln
auf den Kopf gestellt, machte Bischof
Joachim Reinelt vergangenen Sonntagvormittag
(31. August 2008) in seiner Predigt zur
Rosenthaler Bistumswallfahrt deutlich. Sie
habe sich selbst als "Magd des Herrn"
bezeichnet, als sie von Gott gerufen wurde.
Ihrem Weg des Evangeliums, der "kein Weg
der Streicheleinheiten" sei, müssten auch
heutige Christen konsequent folgen. Die
oft gestellte Forderung, die Kirche solle
mehr mitreden in der Welt, sei zwar
berechtigt. Dabei müsse sie sich aber vor
dem Streben nach Macht hüten. "Immer wenn
die Kirche im Laufe der Geschichte diese
Mächtigkeit hatte, ging es abwärts."
Der
moderne Mensch neige dazu, die Welt von
sich her zu denken. Die Mutter von Jesus
habe sich hingegen in andere
hineinversetzt und von ihnen her gedacht,
als sie beispielsweise bei der Hochzeit
von Kana feststellte, dass der
Festgesellschaft der Wein fehlte. Für
Christen von heute sei es unerlässlich,
einen Blick für die Sehnsüchte und
Bedürfnisse ihrer Mitmenschen zu
entwickeln und danach zu fragen, was ihnen
fehle. Bischof Reinelt erinnerte an ein
Wort von Papst Benedikt XVI.: "Man kann
Christus nicht für sich allein haben." Er
forderte die Wallfahrer in Rosenthal dazu
auf, ihre Freude zu teilen, zu allererst
mit den Leidenden in Pflegeheimen und
Krankenhäusern, mit Menschen, die nicht
mehr weiter wissen oder mit denen, die
einfach mal jemanden brauchen, der Zeit
für sie hat. Auch darin könne Maria, die
ihre Freude mit Elisabeth teilte, ein
Vorbild sein.
Die
biblische Erzählung über die Hochzeit
von Kana, bei der Jesus sechs Steinkrüge
voller Wasser in Wein verwandelte, zog
sich symbolisch durch den gesamten
Wallfahrtstag. Ein großer Teil der
Pilger hatte am Morgen den Wallfahrtsweg
von sechs umliegenden Dörfern aus zu Fuß
zurückgelegt. Die Steine, die sie
unterwegs als Sinnbild für die Lasten
ihres Lebens aufgelesen hatten, legten
sie in einen der großen Krüge, die an
der Altarinsel standen. Der Krug mit
den Steinen steht nun im Kloster St.
Marienstern. Die Zisterzienserinnen dort
wollen für diese Anliegen besonders beten.
Auch die anderen fünf Krüge haben nach der
Wallfahrt einen neuen Platz gefunden: Der
zweite Krug enthielt die Bitten der Pilger
- diese werden die Zisterzienserinnen im
Kloster St. Marienthal im Gebet
begleiten. Die Kollekte, die während des
Gottesdienstes eingesammelt worden war,
befand sich in einem weiteren Krug und
wurde zusammen mit diesem nach Leipzig
gebracht: als "Stein" für den Neubau der
Propstei. Ein mit Wasser gefüllter Krug,
der an die Taufe erinnerte, steht nun in
Gera. Im Exerzitienhaus Hoheneichen findet
man einen Krug mit Rosen, der an das
Sakrament der Versöhnung erinnert.
In Wechselburg, dem Ort der
vierteljährlichen Jugendvespern, fand der
sechste Krug seinen Platz. Er ist voller
Erinnerungen an den Weltjugendtag in
Australien. In der Wallfahrtsstunde am
Nachmittag ließen drei Teilnehmer die
Anwesenden an ihren Erfahrungen teilhaben.
Elisabeth Schwope aus Obercunnersdorf
beispielsweise erzählte, dass sie ihren
graubraunen kolumbianischen Pilgerhut nach
einem tiefen Glaubensgespräch eingetauscht
habe. Die in Australien erlebte Offenheit,
über den Glauben, Gott und die Welt ins
Gespräch zu kommen, motiviere sie bis
heute: "Ich habe mir vorgenommen, auch
hier offener zu sein, Neues zu wagen und
einfach mal ein Gespräch zu beginnen."