Rückblick
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Quo vadis Kirche?
Die Zahl der Christen in Deutschland schrumpft. Folgen davon sind Pfarreizusammenlegungen, Gemeindeauflösungen und Schließung von Kirchen. In Deutzen will sich die katholische Pfarrei jetzt von ihrem Gotteshaus trennen. Dass es unter den hiesigen Gebetsorten der einzige sakrale Kirchenbau ist, spielt dabei für den Pfarrer keine Rolle.

Borna/Deutzen. Die Zukunft der katholischen Kirche St. Konrad in Deutzen steht auf dem Spiel. Die Pfarrei St. Joseph Borna möchte sich von dem Gebäude trennen. Zugleich versichern Pfarrer Dietrich Oettler und Franz Waberzeck vom Pfarrgemeinderat, dass auch künftig Gottesdienste in Deutzen stattfinden sollen. Wie das konkret funktionieren soll, dafür gibt es im Moment nur vage Ideen.

Bei den wenigen verbliebenen Katholiken in Deutzen sorgen die Ankündigungen für Besorgnis. Immerhin waren sie und ihre Vorfahren aus Bayern und Schlesien es, die die Kirche vor über sechs Jahrzehnten unter den Bedingungen der nicht gerade kirchenfreundlichen DDR selbst gebaut hatten. "Und heute, in unserem reichen Westdeutschland, können wir sie nicht mehr halten", wundert sich Helga Benkel, eine der aktivsten Katholiken in Deutzen.

1957 war die Kirche gerade ein Jahr alt. Damals gab es in Deutzen und allen zugehörigen Orten 1.170 Katholiken. Heute, rechnet Pfarrer Oettler vor, seien es in der gesamten Pfarrei mit Borna, Frohburg, Kitzscher, Neukieritzsch und allen zugehörigen Ortsteilen nur noch 1.049. Rund 20 davon kommen alle zwei Wochen sonnabends zum Gottesdienst in die Deutzener Kirche, davon ein Dutzend Deutzener.

Der Abwärtstrend bei den Gemeindemitgliedern ist es, der die Pfarrei überhaupt darüber nachdenken lässt sich von Gebäuden zu trennen. Denn das Bistum verpflichtet die Pfarreien, einen großen Teil ihrer Gelder in eine Erhaltungsrücklage für die Immobilien zu legen. Bei immer weniger Gläubigen und somit Einnahmen bedeute das, sagt Dietrich Oettler, dass dem Pfarrer irgendwann zu wenig Geld für die seelsorgerische Arbeit zur Verfügung stehen könnte. "Unsere Pfarrei", folgert der Pfarrer, "hat derzeit mehr Immobilienbestand, als sie auf absehbare Zeit erhalten können wird."

Die Bornaer Pfarrei hat drei Gebetsorte. Die Pfarrkirche in Borna – ein umgebautes Offizierskasino – besuchen zu den wöchentlichen Gottesdiensten rund 120 Gläubige. In Frohburg, wo ein Reihenhaus als Kapelle dient, seien es ähnlich wenige wie in Deutzen. Dass Deutzen und nicht Frohburg in Frage gestellt wird, liege laut Pfarrer daran, dass Frohburg weiter von Borna entfernt ist. "Wenn wir diese Kapelle aufgäben, würden wir uns ungleich mehr aus der Fläche zurückziehen", sagt Oettler.

Für den promovierten Geistlichen spielt dabei auch keine Rolle, dass in Deutzen das einzige sakrale Bauwerk der Pfarrei steht. "Die lebendigen Steine sind wichtiger als die toten", entgegnet er jenen, die darauf hinweisen, wie es etwa Helga Benkel tut. Die Sorge für die Menschen stehe in der katholischen Kirche über der für die Gebäude.

St. Konrad soll nicht für immer zugeschlossen werden, betonen der Pfarrer und Pfarrgemeinderatsmitglied Waberzeck. Aber die Pfarrei möchte das Eigentum an der Kirche aufgeben. Unter einem anderen Träger soll sie ein Ort bleiben, "der Menschen im Leben und im Glauben eine Heimat" ist, formuliert Dietrich Oettler. Vieles wurde schon erwogen und wieder verworfen. Jetzt stehe man mit der Idee eines Umwelt- und Dokumentationszentrums zu Bergbau und Kohle am Anfang neuer Überlegungen. Mit Platz für Gottesdienste. Die Katholiken in Deutzen seien für die Überlegungen offen, aber auch sehr kritisch, hat der Pfarrer erfahren. Besonders wegen der engen persönlichen Bindungen an die Kirche. Die unter anderem dazu führen, dass Deutzener ehrenamtlich das Umfeld der Kirche in Ordnung halten und das Holz zum Heizen zusammentragen.

Das letzte Wort wird der Bischof des Bistums Dresden-Meißen haben. Dem muss die Pfarrei, wenn es so weit ist, die Aufgabe einer Kirche vorschlagen.

Die Geschichte der Katholiken in Deutzen findet seine Wurzeln im Bergbau. Mit den Braunkohlewerken siedelten auch viele Katholiken in die Bornaer Gegend. Deutzen hatte keine katholische Kirche und die Glaubensbrüder rangen viele Jahre um den Bau eines Gotteshauses. Nach dem ersten Spantenstich am 3. April 1954 und der Fertigstellung des Rohbaus im Juni 1956 konnte das Haus in jenem Jahr kurz vor Weihnachten geweiht werden. Das Gotteshaus wurde aus sächsischen Steinen und bayrischem Holz gebaut. Sie gilt damit als einzige sächsisch-bayrische Kirche Deutschlands. Was als einzigartig gilt. In ihr sind sogar Steine der Leipziger Trinitatis-Kirche eingebaut.

Stichwort: Kirchenaustritte

* Die beiden großen Kirchen in Deutschland verlieren weiter Mitglieder, die Zahl der Austritte hat sich 2016 aber deutlich verringert – Zahlen für 2017 liegen noch nicht vor. Etwas mehr als 162.000 Katholiken kehrten im vorvergangenen Jahr ihrer Kirche den Rücken. Die Evangelische Kirche meldete 190.000 Austritte.

* Zur katholischen Kirche und ihren 27 Diözesen bekannten sich zu diesem Zeitpunkt noch knapp 23,6 Millionen Menschen, das sind 28,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die evangelischen Kirchen kommen auf gut 21,9 Millionen, was einem Bevölkerungsanteil von 26,5 Prozent entspricht. Somit gehörten nur noch gut 55 Prozent der Deutschen einer der beiden großen Kirchen an. Zählt man kleinere Gemeinschaften hinzu, betrug der Christenanteil in der Bevölkerung 58,3 Prozent.

* In Sachsen ist die Zugehörigkeit zu den beiden großen Kirchen prozentual deutlich geringer als im Bundesdurchschnitt. Der evangelischen Kirche gehörten im Freistaat 2015 18,9 Prozent der Bevölkerung an, zehn Jahre zuvor waren es noch 21,9 Prozent. Bei der katholischen Kirche liegt die Zahl in Sachsen seit gut zehn Jahren bei rund 3,7 Prozent Bevölkerungsanteil.

* Der Mitgliederschwund der evangelischen Kirche wird vor allem auf den demografischen Wandel zurück geführt, die Lücke der verstorbenen Kirchenmitglieder kann nicht wieder aufgefüllt werden. Die Zahl der Austritte dagegen konnte 2016 in der EKD erstmals seit drei Jahren wieder durch Neueintritte übertroffen werden.

* Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" kritisiert "die dramatischen Pfarreizusammenlegungen und Gemeindeauflösungen".

* Vor Ort stellt sich das so dar: Pfarrer Dietrich Oettler ist mittlerweile nicht nur für die Pfarrei St. Joseph Borna mit den Kirchen beziehungsweise Kapellen in Borna, Frohburg und Deutzen zuständig, sondern zugleich für die Pfarrei St. Benno mit Geithain, Bad Lausick und Tautenhain. Um künftig noch größere Strukturen auszuloten, haben sich im Bistum Dresden-Meißen 34 sogenannte Verantwortungsgemeinschaften gebildet. Eine besteht aus den fünf Pfarrgemeinden Borna, Geithain, Limbach-Oberfrohna, Mittweida und Wechselburg.
Text: André Neumann, Leipziger Volkszeitung (24.01.2018)
Fotos: Jens Paul Taubert & Philipp Ramm

Deutzener Gotteshaus soll Ökokirche werden
Podiumsdiskussion am Pfingstmontag zum Thema Umwelt zwischen Politik, Naturschutz und Energie

Borna/Deutzen. Zweimal im Monat wird die Kirche St. Konrad in Neukieritzschs Ortsteil Deutzen für Gottesdienste genutzt. Zu wenig, befand ein Initiativkreis um den Bornaer Pfarrer Dietrich Oettler und Nikolaus Legutke vom Katholikenrat im Bistum Dresden-Meißen. Ideen also mussten her, was in der Kirche außerdem machbar ist. Jetzt haben beide das Resultat der Ideensuche vorgestellt: Eine Ökokirche soll Sankt Konrad werden. Ökologie, Ökonomie und Ökumene unter einem Dach sozusagen. Denn an der Projektgestaltung arbeiten nicht nur Katholiken und Evangelen, sondern auch der Kulturpark Deutzen, die Ökostation Borna-Birkenhain und das Kraftwerk Lippendorf.

"Wir wollen die Kirche in den Dienst des Umweltschutzes stellen, denn letztlich betrifft das Thema Schöpfung – also Umwelt – alle", erklärt Oettler. Dass die Deutzener Kirche dafür gewählt wurde, hat gleich mehrere Gründe. Zum einen wurde ein Teil des heutigen Neukieritzscher Ortsteils einst für die Braunkohle abgebaggert, zum anderen wurde das Gotteshaus 1956 auf aufgeschüttetem Bergbaugelände errichtet. "Und das Thema Braunkohle ist ja eng mit dem Thema Umweltschutz verknüpft", macht Legutke deutlich.

Konkrete Projekte, die die Ökokirche zukünftig anbieten kann, sollen am Pfingstmontag im Fokus stehen. An dem Tag kommen die Grünen-Bundestagsabgeordnete Monika Lazar, Kulturpark-Geschäftsführer Michael Wagner, Martin Graichen, Geschäftsführer der Ökostation, sowie Jens Littmann, Betriebsratsvorsitzender im Kraftwerk, zu einer Podiumsdiskussion zusammen. "Wir wollen nicht über die Köpfe der Menschen hinweg entscheiden, sondern hoffen auf viele Ideen zu verschiedenen Projekten", sagt Oettler. Seien es Wanderungen, der Bau von Hochbeeten oder Open-Air-Gottesdienste. Themen sollen unter anderem Energiegewinnung und -verbrauch sein, Lebensstile, Nachhaltigkeit. Aus den Überlegungen solle anschließend ein "Paket geschnürt" werden, wie Legutke betont. Er und seine Mitstreiter rechnen fest mit reger Beteiligung, denn die Nachfrage nach solchen Angeboten sei groß. Das zeige sich beispielsweise an den stetig steigenden Besucherzahlen in der Markkleeberger Ökoschule.

Ziel sei es zudem, einen Verein zu gründen, der sich nicht nur um die weitere Nutzung der Kirche St. Konrad kümmert, sondern beispielsweise auch dabei hilft, die Ökostation zu erweitern. Angedacht sei zudem eine Ausstellung, die sich mit der geschichtlichen Dimension der Braunkohlezeit auseinandersetzt. All das aber brauche Zeit und viele Mitstreiter. "Die wir hoffentlich schon am 21. Mai finden", sagt Oettler. Im Herbst will der bis dahin gegründete Verein europäische Leader-Fördermittel beantragen, um Projekte auf den Weg zu bringen. Der Zweckverband Kommunales Forum Südraum Leipzig hatte gar schon Unterstützung zugesagt. "Allerdings fehlen uns noch junge Leute, die die Ökokirche aktiv mitgestalten wollen", betont Legutke.

Vielleicht finden am Pfingstmontag einige Gefallen an dem Vorhaben. An dem Tag beginnt um 10:30 Uhr ein ökumenischer Umweltgottesdienst in der Kirche St. Konrad, danach laden die Beteiligten zu einem Markt der Möglichkeiten ein, wo sich der Eine-Welt-Laden präsentiert und wo es für Kinder verschiedene Mitmachaktionen gibt. Um 13:00 Uhr schließt sich die Podiumsdiskussion zum Thema "Was ist alles öko?" an.
Text: Julia Tonne, Leipziger Volkszeitung (09.05.2018)
Foto: Julia Tonne

Vision: Ökokirche Deutzen?
Zu einem Umweltzentrum möchte ein ökumenischer Initiativkreis die Deutzener Kirche St. Konrad machen. Am Pfingstmontag lädt er zu einem Umwelttag mit Gottesdienst, Podiumsdiskussion und Familienprogramm ein.

Borna/Deutzen. Extreme Wetterphänomene häufen sich ebenso wie die Nachrichten über Lebensmittelskandale und das Aussterben vertrauter Tierarten. Je näher uns die Auswirkungen unseres nachlässigen Umgangs mit der Umwelt rücken, umso mehr wächst die Bereitschaft und das Bedürfnis, über den eigenen Zwiespalt nachzudenken: Bei vielen alltäglichen Lebensentscheidungen fühlen sich Zeitgenossen hin- und hergerissen zwischen ihrer Sehnsucht nach erfülltem Leben und ihrer zur Selbstbeschränkung herausfordernden Verantwortung für den Erhalt der Schöpfung.

"Auch in der Kirche erinnern wir uns wieder mehr an unseren Auftrag der Sorge um die Schöpfung", sagt der Bornaer Pfarrer Dietrich Oettler. Gemeinsam mit einer kleinen Gruppe evangelischer und katholischer Christen denkt er gerade über die Gründung eines Umweltzentrums nach, das zum Gespräch über nachhaltige Lebensstile anregt – keinesfalls nur unter Christen, sondern mit allen interessierten Bürgern und gesellschaftlichen Gruppierungen.

Christen wollen Netzwerke knüpfen

Standort eines solchen Zentrums könnte die Deutzener Kirche St. Konrad sein, derzeit eine Gottesdienststation der Bornaer Pfarrei St. Joseph. Schon seit Längerem denken die Katholiken der Pfarrei über die künftige Nutzung des Gotteshauses nach, das größer ist als die Pfarrkirche in Borna, in der die rückläufige Zahl der Gläubigen aber auch besonders deutlich ins Auge fällt.

Wegen ihrer ungewöhnlichen Geschichte – Mitte der 1950er Jahre von bayrischen Gastarbeitern mit Steinen der zerstörten Leipziger Propsteikirche auf ehemaligem Tagebaugelände erbaut – liegt diese Kirche der Pfarrei besonders am Herzen. Eine Reihe von Nutzungsalternativen wurden im Laufe der vergangenen Jahre für sie in Betracht gezogen, mittlerweile aber alle als nicht umsetzbar wieder verworfen: Die Kirche St. Konrad soll weder Tourismuskirche noch Jugendkirche werden, weder Fernsehkirche noch Kolumbarium. Ob sie tatsächlich Ökokirche werden kann, wird nicht allein von der kleinen Gruppe der Initiatoren abhängen. "Wir hoffen auf viele Menschen der Region – Christen wie Nichtchristen –, die sich das Anliegen zu eigen machen und ihre Projektideen und Tatkraft einbringen", sagt der ehemalige Katholikenratsvorsitzende Nikolaus Legutke. Der Markkleeberger war bereits in den 80er Jahren an christlichen Umwelt-Aktivitäten beteiligt, nahm unter anderem an den sogenannten Öko-Spaziergängen teil, mit denen – etwa entlang der verschmutzten Pleiße – öffentliche Aufmerksamkeit für die Umweltfrevel der DDR geschaffen wurde.

Sowohl mit damaligen Akteuren als auch mit Gruppen und Einrichtungen, die sich heute in der Region für Umweltanliegen einsetzen, hat der Initiativkreis der Ökokirche Deutzen in den vergangenen Monaten bereits Kontakt aufgenommen, mit der Ökologischen Station Borna-Birkenhain etwa oder mit dem soziokulturellen Zentrum Kulturpark Deutzen. "Sie sehen unsere Initiative nicht als Konkurrenz, sondern als wertvolle Ergänzung", sagt Pfarrer Oettler. Von der Zusammenarbeit könnten alle Mitwirkenden profitieren, meint er. Auch Bischof Heinrich Timmerevers begrüße die Initiative. Wichtig sei auch ihm, dass die Christen sich dabei mit ihren Mitbürgern und anderen gesellschaftlichen Gruppierungen vernetzen.

Geplant ist, möglichst bald eine Studie in Auftrag zu geben, die das Projekt auf seine Zukunftsaussichten hin prüft. Wenn das Ergebnis positiv ausfällt, könnte es zur Gründung eines Vereins kommen, der künftige Umweltprojekte trägt, aber auch die Kirche St. Konrad in Besitz nimmt. Dass die Kirche auch unter neuer Trägerschaft weiter für Gottesdienste, Konzerte und andere Kulturveranstaltungen verfügbar sein muss, steht dabei für die Initiativkreis-Mitglieder außer Frage.
Text: Dorothee Wanzek, Tag des Herrn (20.05.2018)
Foto: Dorothee Wanzek
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