Rückblick
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Basteln, beten, Buden bauen und schöne Wünsche
Seit 30 Jahren gibt es den "Freitagskindergarten"

Borna. Jeden Freitagmorgen sagen Sarah, Rahel und Konstanze laut, was sie sich wünschen, zum Beispiel ein langes Leben für die Bäume, dass kein Krieg kommt und dass auch diejenigen Kinder eine Zuckertüte bekommen, die nicht soviel Geld haben. Einmal in der Woche - immer freitags - trippeln die drei Mädchen nicht wie sonst in ihren Kindergarten, sondern ins katholische Pfarramt in die Stauffenbergstraße. Seit mehr als 30 Jahren gibt es diesen christlichen "Freitagskindergarten" der Gemeinde St. Joseph - DDR-Zeiten fast illegal, heute ein Angebot unter vielen und mit ähnlichen Sorgen wie viele Kindereinrichtungen, zum Beispiel was den Nachwuchs betrifft: Fünf der zwölf Kinder von St. Joseph sind jetzt in die Schule gekommen.

Freitagnachmittag. Auf dem runden Tisch dampfen Kartoffelpuffer. Neun Steppkes sitzen auf Stühlchen drumherum, singen ein kleines Lied, sprechen ein Tischgebet, fassen sich bei den Händen, danken Gott - und lassen sich Puffer mit Apfelmus schmecken. Ihre Erzieherin Steffi Rößner sitzt unter ihnen. Sie kennt jedes Kind gut, seit fünf Jahren arbeitet sie hier.

Da sie als Katholikin damals kein Jugendweihling sein wollte, durfte sie später auch nicht Grundschullehrerin werden, berichtet die 32-jährige Erzieherin. "Ich wollte aber gern etwas mit Kindern machen, deshalb habe ich eine Ausbildung bei der Kirche absolviert." Nun betreut sie vier "Eintagskindergärten" - in Geithain, Bad Lausick, Wechselburg und Borna.

Bilder und Hase mit Zahnbürste

Steffi Rößner erzählt, wie solch ein Tag abläuft. Früh gehen die Kinder zum Morgengebet in die Messe. Danach Frühstück, Spiel und Bastelei. "Wir haben bunte Fensterbilder gemacht", sagt die sechsjährige Sarah. Rahel (5) fügt begeistert hinzu: "Und Schiffe und Hasen mit Zahnbürste." Wenn sich die Knirpse zwischen vier und sechs Jahren ausgetobt haben, beginnt der sogenannte Stuhlkreis.

Die Erzieherin liest eine religiöse Geschichte vor. Dabei gehe es zum Beispiel darum, dass die Kinder mehr über Feste wie Weihnachten und Ostern erfahren, so die Erzieherin. Dann erzählen die Steppkes, was sie in der Woche erlebt haben. Sie können Danke sagen für gewisse Dinge und sich etwas wünschen. "Dabei sollen die Kinder auch lernen, dem anderen zuzuhören und ihn ausreden zu lassen", meint Steffi Rößner. Später geht's an die frische Luft zum Haschespielen, Budenbauen und Wettrennen. Nach dem Mittag bereitet die Erzieherin häufig ein Stehgreif-Spiel vor, oft mit religiösem Inhalt.

Christliche Werte vermitteln

Rahel schüttelt den Kopf. Nein, es sei gar nicht komisch, dass sie freitags hier im katholischen Pfarramt ist und sonst in ihrem "normalen" Kindergarten. Pfarrer Michael Teubner versteht dieses Angebot nicht als Konkurrenz, sondern als ein "zusätzliches, alternatives Angebot". Die Idee sei, dem Nachwuchs christliche Werte zu vermitteln, kindgemäß an christliche Texte heranzuführen und auch den Kleinen hier die Möglichkeit zu geben, über Religiöses zu reden. "Es ist erstaunlich, wie wach die Kinder sind", hat der Pfarrer festgestellt.

Entstanden sei diese Form von Kinderbetreuung in der katholischen Kirche Borna vor mehr als 30 Jahren. Der Staat war damals dagegen, dass die Gemeinde St. Joseph einen eigenen Kindergarten gründet. "Um das zu unterlaufen, haben wir gesagt, es sei ja nur für einige Stunden. Wir haben tiefgestapelt und die Sache halb illegal betrieben", berichtet der Pfarrer. Offiziell nannte man es die "Frohe Herrgottstunde".

Nach der Wende habe man gemeinsam mit der evangelischen Kirche überlegt, einen christlichen Kindergarten in Borna zu gründen. "Aber das ist leider nicht zu verwirklichen", bedauert der Pfarrer und denkt an Kosten und Geburtenrückgang.

Aber zumindest der "Freitagskindergarten" soll bleiben. Da fünf der zwölf Schützlinge seit gestern nun einen Ranzen tragen, ist die Gruppe mächtig geschrumpft. Pfarrer Teubner möchte nicht nur katholische Familien ansprechen: "Wir sind offen für alle. Wer glaubt, solch ein Tag in der Woche würde meinem Kind gut tun, kann gern bei uns reinschnuppern."
Text: Claudia Carell, Leipziger Volkszeitung (08.09.1998)
Fotos: Erhardt Franke & Andreas Döring
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